Bombenleger unbeeindruckt

Mit einem Referendum über die Zusammenlegung der Verwaltungsstrukturen auf Korsika hofft die französische Regierung auf die Befriedung der Insel. Die nichtnationalistischen Korsen hegen schwere Befürchtungen. Ein Ende der Gewalt ist nicht in Sicht

aus Paris DOROTHEA HAHN

Offiziell geht es morgen, bei dem allerersten regionalen Referendum auf Korsika, bloß um eine Verwaltungsreform. Die Frage an die 190.000 Stimmberechtigten lautet: „Wollen Sie die Schaffung einer einheitlichen dezentralisierten territorialen Einheit?“ Doch wie so oft, wenn es um die französische Mittelmeerinsel geht, ist die Sache komplizierter, als sie auf den ersten Blick aussieht. So mobilisieren die Nationalisten auf der Insel für ein Ja im Referendum und nennen es „einen ersten Schritt zur vollen Souveränität“. Und so ruft in Paris Staatspräsident Jacques Chirac zwar ebenfalls zu einem „Oui“ auf, nennt es aber ein „klares Bekenntnis zum Verbleib Korsikas in der Französischen Republik“.

Ursprünglich kommt die Idee zu dem Referendum nicht von der Insel, sondern aus Paris. Innenminister Nicolas Sarkozy argumentiert, mit der Zusammenlegung der Verwaltungen auf Korsika könne die Arbeit der Behörden effizienter und transparenter gestaltet und zusätzliche Kompetenzen von Paris auf die Insel verlagert werden. Einzelheiten sind allerdings noch völlig offen. Sie sollen erst im Herbst in einem neuen Gesetz geregelt werden. Vorausgesetzt, die Korsen stimmen zu.

In Paris hat Sarkozy jede Menge Unterstützer. Die rechte Einheitspartei UMP ist für das neue Statut und hat ihre Schwergewichte, darunter Parteichef Alain Juppé, zu Kampagnezwecken auf die Insel geschickt. Auch die sozialdemokratische Opposition hält das Referendum für eine gute Idee; einzig die KP tritt im Parlament geschlossen für ein Nein auf. Parteichefin Marie-Georges Buffet spricht von einer „falschen Dezentralisierung“, die lediglich die „ultraliberalen Vorstellungen der EU von einem Europa der Regionen umsetzt“.

Auf der Insel selbst sieht die Sache wieder völlig anders aus. Dort wurden der Innenminister und Premierminister Jean-Pierre Raffarin, die vor zwei Wochen gemeinsam zu einem Kampagnenmeeting anreisten, von Demonstranten daran gehindert, den Flughafen zu verlassen. Ihre Parteifreunde vor Ort taten nichts, um ihren Auftritt zu ermöglichen. Den meisten korsischen UMP-Mitgliedern fällt es schwer, „genauso zu stimmen wie die Nationalisten“. Einige korsische UMPler haben sogar eine „republikanische Bewegung für ein Nein“ gegründet.

Ähnlich wie sie denken viele gemäßigte Linke auf der Insel. Sie befürchten einerseits, die Zusammenlegung der Verwaltung könnte die Nationalisten noch weiter stärken. Andererseits glauben sie, mit der Konzentration der Inselmacht im südlichen Städtchen Ajaccio versinke die nördliche Hafenstadt Bastia gänzlich in der Provinz.

Die korsischen Bombenleger ihrerseits, die es in den ersten sechs Monaten dieses Jahres auf den Rekord von 126 Sprengstoffattentaten gebracht haben, lassen sich von dem Referendum überhaupt nicht irritieren. Auch in den letzten Tagen zündeten sie erneut Bomben vor staatlichen Einrichtungen, zuletzt in der Nacht zu gestern. Die meisten Korsen ahnen, dass das Referendum nichts an der strukturellen Gewalt ändern wird.

Die Kritiker des Innenministers in Paris und auf der Insel rätseln unterdessen über den Sinn des schwer verständlichen Referendums. Manche vermuten, dass Sarkozy es organisiert hat, um Tatkraft zu beweisen und seine Startposition als künftiger Bewerber um das höchste Amt in Frankreich zu stärken. Der gegenwärtig starke Mann in der Pariser Regierung selbst hat bis zum letzten Moment nachhaltig zu einem Ja mobilisiert: „Für Korsika und für Frankreich.“ Zugleich hat er eine Niederlage von vornherein mit einkalkuliert. „Seit 28 Jahren sind alle Regierungen auf Korsika gescheitert“, erklärte er in einem Interview. Vor Beginn des Referendums.