Hören und schmecken statt sehen

Die Kölner „unsicht-Bar“ ist derzeit Kulisse für Dreharbeiten. In dem Themenrestaurant, das Speisen in völliger Dunkelheit serviert, agieren Blinde und Sehbehinderte als Helfer der hilflosen Gäste

Von Christian Meyer

Das Unsichtbare filmen – eine Unmöglichkeit. Die „unsicht-Bar“ filmen ist jedoch möglich. Der britische Dokumentarfilmer Iain Cox stellt sich dieser Herausforderung: Unter dem Arbeitstitel „Food For Thought“ dreht Cox derzeit einen Film über das Kölner Themen-Restaurant (Im Stavenhof 5-7), das Speisen in völliger Dunkelheit serviert.

Cox, der gerade einen Film über den körperlich behinderten Wissenschaftler Stephen Hawking abgedreht hat, interessiert sich vor allem für die sozialen Aspekte des ersten Dunkel-Restaurants Deutschlands. Denn dort kehren sich die Verhältnisse zwischen „behindert“ und „nicht behindert“ um. Die Gäste müssen bzw. können sich ganz auf andere Eindrücke – hören, tasten, schmecken, riechen – besinnen und erleben für eine kurze Zeit annähernd die Wahrnehmungsweise von Blinden: Der Speisesaal ist absolut dunkel. Uhren mit Display, Handys und sogar Zigaretten – jegliche Lichtquelle ist hier verboten.

Die Kellner jedoch, die sehbehindert oder blind sind, agieren in diesem Raum als Helfer für die nun hilflosen Sehenden. Jedem Gast ist ein Kellner zugewiesen, der bei Orientierungsschwierigkeiten zur Seite steht und die Gäste notfalls auch bis zur Toilette geleitet.

Der Initiator des Restaurants, Axel Rudolph, fand als Akustikdesigner mit dem Projekt der Wanderausstellung „Dialog im Dunkeln“ eher zufällig zum Thema und konnte dank der guten Zusammenarbeit mit den städtischen Behörden – man denke nur an die Sicherheitsbestimmungen für komplett dunkle Räume – 2001 die Kölner „Unsichtbar“ eröffnen. Rudolph freut sich, dass im Lokal immer eine „heiter ausgelassene“ Stimmung herrscht und die Kellner hier einmal nicht, wie im Alltag, bloß Mitleid ernten, sondern „eher glorifiziert werden“. Die Gäste staunen regelrecht: „Was der alles kann...“.

Diese Verkehrung der Alltagssituation interessiert auch den Regisseur Cox. Daher begleitet er im Film auch einen der Kellner bei seinem Weg zur Arbeit (von Düren nach Köln braucht er drei Stunden), und bei seiner Arbeit im Restaurant. Umgekehrt führt er vier Sehende ohne Vorwissen in das Restaurant und beobachtet ihre Reaktionen mit einer Infrarotkamera während des dreistündigen Dinners.

Iain Cox möchte ebenso wie Rudolph mit seinem Film die Welten der Sehenden und die der Blinden miteinander kommunizieren lassen. Tatsächlich, sagt Cox, „achten die Gäste mehr auf die verbale Kommunikation. Wenn man den Speiseraum betritt, ist das eine andere Welt, in der man auch zu einem anderen Menschen wird.“ Die Möglichkeit, die Welt der Blinden zu erfahren und Blinde in einer auf sie zurechtgeschnittenen Welt als „normale“ Menschen wahrnehmen zu können, möchte Cox mit dem Film fördern und einen Austausch anregen.

In England ist man bereits sehr gespannt auf den Film. Die HSBC-Bank unterstützt den Film finanziell, ITV und vor allem BBC bekunden starkes Interesse. Aber, sagt der deutsche Co-Produzent Thorsten Schiller, „wir produzieren auch eine Version für das deutsche Fernsehen“. Mit verschiedenen Fernsehanstalten ist man bereits im Gespräch. Im September findet in London eine große Premiere statt. Filmemacher Cox ist sich sicher, dass es dann nicht mehr lange dauern wird, bis auch dort die erste „Unsichtbar“ eröffnen wird.