Organe gesucht

VON MATTHIAS LOHRE

Rund eintausend Menschen sterben in Deutschland jedes Jahr, weil sie vergeblich auf ein Spenderorgan warten mussten. Derzeit sind es rund 12.000 Menschen, die auf eine Transplantation hoffen. Die Lage verschlechtert sich weiter: Im vergangenen Jahr wurden hierzulande 1.198 Menschen nach ihrem Tod Lebern, Herzen oder Nieren entnommen – 8,8 Prozent weniger Spender als noch 2007. Zum ersten Mal seit dem Jahr 2004 ist damit die Bereitschaft zur Organweitergabe gesunken. Das erklärte am Mittwoch die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO).

Woran liegt das? Die Stiftung ist laut Transplantationsgesetz seit 2000 dafür zuständig, in Deutschland Informationen über Spenderorgane zentral zu sammeln. Laut diesem Gesetz müssen Krankenhäuser, Gesundheitsverwaltungen, Ärztekammern und Ministerien hierbei zusammenarbeiten. „Jeder kann sich hinter dem Begriff Gemeinschaftsaufgabe verstecken, es gibt zu wenige Verbindlichkeiten“, kritisiert DSO-Vorstand Günter Kirste. Viele Spender blieben deshalb unerkannt.

Als Erfolgsmodell stellt die Stiftung Spanien dar (siehe Text unten). Dort würden 34 Menschen pro einer Million Einwohner spenden. Hierzulande ist dieser Anteil hingegen laut DSO von 16 im Jahr 2007 auf 14,6 im vorigen Jahr gesunken.

Gegen den Trend ist in Nordrhein-Westfalen die Zahl der Spenden um 8 Prozent gestiegen. Dafür verantwortlich macht die Stiftung die Unterstützung durch die Landesregierung. Seit Dezember seien in den Kliniken in NRW Transplantationsbeauftragte verbindlich vorgeschrieben.

Mit Blick auf diese Vorbilder wirbt die Stiftung nun dafür, ihr mehr Kompetenzen zuzugestehen: „Bei einem bevorstehenden Tod müsste die Klinik uns dann informieren, und wir könnten mit den Angehörigen vor Ort über eine Organspende reden. Dafür hat kein Mediziner Zeit“, sagt DSO-Vorstand Kirste der taz. Doch es gibt auch Kritik an der Arbeit der Stiftung. Eine Studie im Auftrag des Gesundheitsministeriums von Schleswig-Holstein kritisierte im Frühling 2008, von der DSO veröffentlichte Berichte seien „in sich nicht schlüssig“, „Plausibilitätsprüfungen seitens der DGO“ seien „unterblieben“. Damals ging es um die heikle Frage, ob Privatpatienten bei Organspenden bevorzugt werden. Die Zahlen der Stiftung waren dazu nicht eindeutig.

In Deutschland kann jeder Mensch selbst darüber entscheiden, ob er Körperteile weitergibt. Laut einer Forsa-Umfrage vom Juni 2008 erklären sich fast drei Viertel der Menschen in Deutschland grundsätzlich dazu bereit – einen Spenderausweis hat aber nur jeder Achte. Dabei ist der Ausweis leicht erhältlich, zum Beispiel in Apotheken, Arztpraxen oder im Internet. Darin lässt sich vermerken, welche Körperteile nach dem Tod entnommen werden dürfen – und welche nicht. Auch ein generelles Nein zur Organentnahme lässt sich ankreuzen, um so Angehörigen die schwierige Entscheidung zu erleichtern. Zentral gespeichert werden diese Daten nicht.

Dies möchte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) am liebsten ändern. Sie will auf der neuen elektronischen Gesundheitskarte eine Organspende-Rubrik einrichten. Nach jahrelangem Streit über Nutzen und Inhalt der Karte wird sie seit Jahresbeginn nach und nach an die rund 70 Millionen gesetzlich Krankenversicherten in Deutschland ausgegeben. Frühestens ab 2010 soll es laut Gesundheitsministerium möglich sein, in Absprache mit dem behandelnden Arzt auf ihr einzutragen, ob ihr Besitzer Organe weitergeben will.

Als Organspender kommen neben Lebenden Menschen in Frage, deren Gehirnfunktionen bereits erloschen sind, deren Herz-Kreislauf-System jedoch noch künstlich aufrechterhalten wird. Da aber in den meisten Sterbefällen zuerst der Herzstillstand eintritt, kommen nur wenige Verstorbene als potenzielle Organspender in Betracht.