Visionen fürs Pisa-Loser-Land

Das gegenseitige Nichtwissen von Kindergarten und Schule soll ein Ende haben: Senatoren präsentieren Plan zur Kooperation. Auch Ganztagsschulen sollen straffer werden. Grüne und GEW: viele warme Worte, von denen vor Ort wenig ankommt

Bremen taz ■ Das „große Ziel“, das Sozialsenatorin Karin Röpke (SPD) gestern verkündete, klingt schön: „Wir wollen, dass sich die Kinder zu eigenen Persönlichkeiten entwickeln“, dass „sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen können“. Was Bremen dafür tut, ist aber erst mal „noch Lichtjahre davon entfernt“ (O-Ton Röpke) von dem, wo andere Staaten in der Bildung ihrer Kleinen und Kleinsten stehen. Aber es geht auch im Pisa-Loser-Land Bremen voran – das bekräftigten gestern die für Kindergärten verantwortliche Senatorin Röpke und der für Schulen zuständige Bildungssenator Willi Lemke (SPD) mit einem gemeinsamen Auftritt.

Sie präsentierten den gemeinsamen „Rahmenplan für Bildung und Erziehung im Elementarbereich“, ein Plan, der die grobe Richtung beim Übergang von Kindergarten zur Schule vorgeben soll. Denn für diesen Übergang gebe es „bisher keine Systematisierung“, gar „unter Umständen Brüche“. Will heißen: Wenn ein Kind vom Kindergarten in die Schule kommt, dann wissen die Kita-Erzieherinnen oft nicht, was das Kind erwartet, und die LehrerInnen wissen nicht, was das Kind alles schon mitbringt. Das soll anders werden – derzeit sind 80 Kindertagesheime und Schulen an einem Projekt beteiligt, das den Aufbau gemeinsamer Strukturen, die Verstärkung der Elternarbeit und eine gemeinsame Dokumentation dessen, was das Kind kann und braucht, zum Ziel hat. Vom Kindergartenjahr 2006 an soll das Erarbeitete flächendeckend gelten. „Relativ allgemein gefasst“ sei der Rahmenplan, gestand Röpke zu, er soll bis Ende Juli konkretisiert werden.

Konkreter sieht es laut Röpke und Lemke bei den Ganztagsschulen aus: 25 soll Bremen ab kommendem Schuljahr haben, acht Grundschulen und 17 Sek-I-Schulen – von 173 Bremer Schulen insgesamt. Die Horte sollen in die Ganztagsschulen integriert werden. Wenn es nach Willi Lemke geht, werden die 25 Schulen sämtlich spätestens ab dem Schuljahr 2005/06 die so genannte „gebundene Form“ haben – ihr Nachmittagsangebot ist somit verpflichtend und nicht wie bei der „offenen Form“ freiwillig. Bisher gibt es nur drei Ganztagsschulen in der „gebundenen Form“. „Die offene Form überlässt es den Schülern allzu sehr, ein Angebot attraktiv oder nicht zu finden.“ Wenn Letzteres der Fall ist, „dann bleiben sie weg – und das ist nicht im Sinne des Erfinders“, erklärte Lemke.

Auch wenn die beiden Senatoren gestern nicht müde wurden, sich gegenseitig ihrer guten Zusammenarbeit zu versichern, klangen auch Misstöne an. Wenn HortnerInnen in die Schule integriert würden, träfen da „zwei Kulturen“ aufeinander, „Unsicherheiten“ seien „ganz menschlich“, so Karin Röpke. „Der Schulleiter hat die Weisungsbefugnis“, brachte Willi Lemke auf den Punkt und sagte taktvollerweise nicht, dass die Hortleiterin dann eben nicht mehr die Chefin sei. Aber, so Röpke: „Es wächst zusammen.“

Das sehen weder die Gewerkschaft noch die Opposition so. Der Rahmenplan klinge so gut wie unkonkret, so Christian Gloede-Noweck von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), „und er ist Makulatur, wenn da von Bedarfen von Kindern die Rede ist.“ Gloede-Noweck verweist auf drastische Personalreduzierungen im Kindergartenbereich (siehe Kasten) und auf die anstehende Streichung von Kita-Ganztagsplätzen, die „mit Kindergartenpolitik nichts zu tun hat.“ Vor Ort sei die Lage lang nicht so rosig wie die Ressorts es darstellten.

Auch die Grünen sind skeptisch. Für Ganztagsschulen nur die „gebundene Form „zuzulassen fordern sie längst. „Das ist der richtige Weg“, sagt denn auch die grüne Bildungsexpertin Anja Stahmann, „aber der Haushaltseckwert reicht nicht.“ Wenn eine qualitativ hochwertige Ganztagsschule gewollt sei, dann müsse auch Geld dafür bereitgestellt werden. Susanne Gieffers