Songs wie gemächliche Kriechtiere

Savoy Grand, jetzt zu Gast in der Weltbühne, nehmen für sich in Anspruch, Tiefen der Seele auszuloten. Ein Stilmittel: weiter gedrosseltes Tempo. Das avisierte Publikum: jene, die den eigenen Schattenseiten ins Auge blicken mögen

Balladen über die Sehnsucht, den Schmerz zu offenbaren

Wer Kritiken über diese englische Formation liest, stellt fest, dass „Schönheit und Poesie“ dieser „Zeitlupen-Pop“-Band einhellig gelobt werden. Dabei ist das Durchhören einer Savoy Grand-CD nicht jedermanns Sache. Die Schwermut, die diese Band verströmt, löst bei manchen Hörern Bedrückung und Brustenge aus. Ihr Slow-Motion-Core auf Melancholie-Basis setzt eine spezielle Konstitution der Psyche voraus, damit der Sound als Genuss empfunden wird.

Wer aber seinen dunklen Gefühlen nicht verschlossen gegenüber tritt, findet bei Savoy Grand eine ungeheure emotionale Größe, die als „Sensitivity Boomer“ wirkt. Das Quartett bestand ursprünglich aus dem Sänger Graham Langley, Oliver Mayne am Bass und Vibraphon, Kieran O‘ Riordan (klassisch ausgebildeter Percussionist) und Ian Sutton (ursprünglich in einer Swing- und Big Band zu Hause) an Klavier und Trompete.

Nach dem Album Dirty Pillows aus dem Jahre 2001 erschien die EP „Survivor“ und 2002 das Album Burn The Furniture. Als Band-Nukleus sind nun Graham Langley und Kieran O‘Riordan übrig geblieben, die mit der Unterstützung von Neil Wells, Neil Johnson, Mark Simms und Mark Spivey die Songs der neuen EP „The Lost Horizon“ und des demnächst erscheinenden Folgealbums live spielen werden.

War das Album Burn The Furniture in seiner Instrumentierung noch reichhaltig und von seltenen dynamisch-aggressiven Schüben durchsetzt, halten sich Savoy Grand inzwischen gänzlich an die Gitarren-Minimalkultur und verzichten auf Stimmungs- und Tempowechsel. 54 Beats per Minute waren bei Savoy Grand schon immer viel, beziehungsweise schnell. Das Tempo scheint nun eher noch um ein bis zwei Schläge gesenkt worden zu sein. Geblieben ist die Länge: Jeder der vier EP-Titel ist sieben bis acht Minuten lang. Diese Kriechtiere von Songs krabbeln einem eindrucksvoller das Rückenmark herunter, als „Coldplay“ auf 16 Umdrehungen pro Minute.

Als weitere Angaben im Koordinatensystem sollen Vergleiche zu Bands wie Low und Kings Of Convenience herhalten. Savoy Grand holen den Kenner dort ab, wo er eigentlich gar nicht sein will. Sie erreichen einen in Momenten tiefster Enttäuschung. Ihre statisch-stoischen Balladen handeln von der Zerbrechlichkeit des Menschen, von Schmerz, Bitternis und der Sehnsucht, dies zu offenbaren. Frei nach dem Motto „Wer seine Wunden nicht zu Markte trägt, wird sie nicht los“ öffnen sie den seelischen Gullideckel und bringen die Schlacke in Fluss.

Carsten Klook

26. 5., Weltbühne. Einlass 21 Uhr. Im Vorprogramm spielen „Transmissonary Six“