DIE NORWEGER TRAGEN DIE EU SCHON JETZT MIT – OHNE MITBESTIMMUNG
: Krösus-Verein wird attraktiv

Eines kann man Norwegen in seinem Verhältnis zur EU nicht vorwerfen: sich die Rosinen aus dem Kuchen zu picken. Durch den Vertrag über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) ist Oslo mit nahezu dem gesamten Brüsseler Regelwerk verknüpft und zahlt in EU-Töpfe ein, hat aber keine Einflussmöglichkeiten und bekommt kein Geld. Welchen Preis das Land dafür zahlen muss, um seinen Fisch zollfrei in die EU exportieren zu dürfen, ging den meisten NorwegerInnen erst im vergangenen Jahr auf, als Brüssel die norwegischen Zahlungen an die EU aufgrund der Osterweiterung verzehnfachte.

Zwar wurden diese Wirkungen des vor einem Jahrzehnt geschlossenen EWR-Abkommens damit reichlich verspätet zum innenpolitischen Diskussionsstoff. Doch sie sind allenfalls marginal dafür verantwortlich, dass heute eine Mehrheit der Norweger einen EU-Beitritt befürwortet. Im „Reiche-Leute-Klub“, als welcher die EU vor allem der linken EU-Opposition galt, wollte man kein Mitglied sein. War diese Selbsteinschätzung für ein Land, das selbst eines der reichsten Europas ist, sowieso ein Anachronismus, so wurde die Einordnung der EU als Krösus-Verein mit der Osterweiterung unhaltbar. Und im Gefolge des Irakkriegs begann auch die Linke über ein geeintes Europa als Gegengewicht zu den USA nachzudenken.

Doch noch immer wiegt das Nationalgefühl schwer. Zum Nationalfeiertag am 17. Mai ertrank das Land gerade wieder in einem Meer blau-roter Flaggen. Norwegen ist ein junger Staat, der seine Selbstständigkeit von schwedischer Oberherrschaft erst vor hundert Jahren errang. Die Furcht, als Winzling von den Großen untergebuttert zu werden, ist immer da. So etwas wie der Umgang der EU mit den Verstößen gegen den Stabilitätspakt und die Arroganz aus Paris und Berlin in der Verfassungsdebatte schlug sich in den Meinungsumfragen sogleich nieder, die Zustimmung zur EU sank sofort. Ob ein Beitritt nach den Wahlen im Herbst nächsten Jahres mehrheitsfähig sein könnte, wird also auch davon abhängen, wie sich die EU bis dahin entwickelt. REINHARD WOLFF