Rätselraten am Metzgertresen

Ab heute gelten in der EU strengere Vorschriften für Fleisch und Wurst. Maschinell vom Knochen entferntes Fleisch muss extra aufgeführt werden. Verbraucherschützer kritisieren, dass lose Ware beim Metzger von den Regeln ausgenommen bleibt

aus Bonn KATRHIN BURGER

Was steckt eigentlich drin in der Lyoner, der Schinkenmettwurst, den abgepackten Tortellinis? Ab heute verschaffft ein neues Etikett mehr Durchblick. Denn ab heute gilt eine neue europäische Fleischetikettierungsverordnung.

Neu ist, dass Innereien, Fett, Schlachtnebenprodukte und Separatorenfleisch, das maschinell vom Knochen ausgelöst wird, nicht mehr als „Fleisch“ auf dem Etikett auftauchen dürfen. Sie müssen jeweils als „Innerei“, „Fett“, „Schlachtnebenprodukt“ oder „Separatorenfleisch“ bezeichnet werden. Neu ist auch, dass die Tierart angegeben werden muss, von der das Separatorenfleisch oder die Innerei stammt. Separatorenfleisch von Wiederkäuern darf sowieso seit Oktober 2000 nicht mehr in die Wurst gemischt werden – eine Konsequenz aus der BSE-Krise. Vor dem 1. Juli abgepackte Ware darf noch nach den alten Regeln in den Supermarkt gelangen.

Verbraucherschützer sind mit den Neuerungen nicht zufrieden. „Die neue Verordnung ist lediglich ein Schritt in die richtige Richtung“, sagt Angelika Michel-Drees, Ernährungsexpertin beim Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV). Beispielsweise gilt die Regelung nur für abgepackte Ware. Lose Ware, wie man sie beim Metzger einkauft, ist noch nicht kennzeichnungspflichtig. Ein Produktvergleich ist also kaum möglich. Für die Zukunft fordert der VZBV deshalb Informationsmappen für lose Ware vom Metzgertresen.

Problematisch ist auch, dass neuerdings zum Fleischanteil eine erhebliche Menge an Fett und Bindegewebe dazugerechnet werden darf. „Was beispielsweise vorher unter Schweinebauch oder Speck lief, kann sich jetzt Schweinefleisch nennen“, kritisieren die Verbraucherschützer.

Eine Lyoner Delikatess-Brühwurst aus 67 Prozent Schweine- und Rindfleisch und 10 Prozent Speck hat plötzlich 77 Prozent Fleischanteil – verwirrend für den Verbraucher, da er unter Fleisch mageres Muskelfleisch versteht. Wie viel Fett und Magerfleisch der Brotbelag aber tatsächlich liefert, würde man erfahren, wenn auf dem Etikett die Nährwerte einzeln aufgelistet würden.

Nachbesserung fordern die Verbraucherschützer auch bei der Angabe, von welchem Tier ein Fleischbestandteil stammt. Mit der neuen Verordnung muss nur Fleisch, Innerei- und Separatorenfleisch detailliert mit Tierart in der Rezepturliste erscheinen, während das für Zutaten wie Blut, Schwarten und Gelatine nicht gilt. Der Verbraucher-Forderung „Ich will wissen, was drin ist“ kann die neue Verordnung also nicht nachkommen.

Für eine lückenlose Kennzeichnung von Lebensmitteln setzen sich die Verbraucherverbände mit der so genannten Rote-Karte-Aktion ein. Die Karten sind bei örtlichen Verbraucherberatungsstellen erhältlich und werden an das Verbraucherministerium weitergegeben.