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: Großer Druck, kleine Gesten

Noch vor zwei Monaten gab die US-Regierung ihre – ohnehin nur rhetorisch vorhandene – Mittlerrolle im Nahostkonflikt endgültig auf, indem sie die Tötung der Hamasführer und Ariel Scharons einseitigen Rückzugsplan aus dem Gaza-Streifen billigte. Nun nähert sich Washington den Palästinensern wieder vorsichtig an – das zeigen auch die Berliner Gespräche zwischen Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice und dem palästinensischen Regierungschef Ahmed Kurei.

KOMMENTAR VON MICHAEL STRECK

Der Grund heißt Irak. Präsident Bush steht unter Druck wie nie zuvor. Ihm ist die Kontrolle über die Vorgänge im Irak und in der Außenpolitik weitgehend entglitten. Hastiges Krisenmanagement im Irak absorbiert alle seine Kräfte. Von Bushs pompöser „Greater Middle East Initiative“ ist nicht viel geblieben: Der Irak taugt momentan nicht als Vorzeige-Demokratie. Und moderate arabische Kräfte, die in den USA immer noch einen Hoffnungsschimmer sahen, sind spätestens seit den Folterbildern desillusioniert.

Das Ende der sturen Haltung gegenüber den Palästinensern und der blinden Unterstützung Israels kann daher als Versöhnungsgeste gegenüber den arabischen Staaten verstanden werden. Der Schritt kündet überdies von einer Rückkehr Washingtons zur Realpolitik. Das folgenschwere Intermezzo neokonservativer Politik ist vorbei. Ihre Wortführer wollten den Antiterrorkampf nicht durch Verhandlungen mit palästinensischen Terroristen korrumpiert sehen und den gesamten Nahostkonflikt in Bagdad lösen. Jetzt haben sie einen Scherbenhaufen angerichtet und sich davongestohlen. Pentagon-Vizechef Paul Wolfowitz ist dafür das beste Beispiel: Er gab ein jämmerliches Bild ab, als er vor wenigen Tagen im Kongress eingestand, dass US-Verhörmethoden die Genfer Konvention verletzten.

Möglicherweise führt nun statt des Erfolges das Scheitern der US-Außenpolitik zu einer Neujustierung von Bushs Engagement in Nahost. Weit kann er jedoch nicht gehen. Ihm sitzen zu Hause die christlichen Rechten im Nacken. Will er sich ihre Wählerstimmen für den Herbst sichern, bleibt wenig Spielraum für Manöver zugunsten der Palästinenser. Das weiß auch Israels Ministerpräsident Ariel Scharon. Der muss fürchten, dass sein Schutzheiliger in Washington zum Jahresende wieder nach Texas umsiedeln muss. So erstaunt auch die Geschwindigkeit nicht, mit der Scharon noch schnell Fakten schaffen will.

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