Ärzte formieren sich

Heute beginnt in Bremen der Deutsche Ärztetag. Im Vorfeld formulierten die Verbände noch einmal ihre Kritik an zu viel Bürokratie und „Menschenschinderei“

Bremen AP/taz ■ Gestern haben sie sich noch formiert, heute treten dann die Ärzteverbände gemeinsam an, um auf dem Deutschen Ärztetag in Bremen ihre Meinung zur Gesundheitsreform der Bundesregierung kundzutun. Im Vorfeld haben die im Marburger Bund zusammengeschlossenen Krankenhausärzte, die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) sowie die Hausärzte die Fronten noch einmal klar gemacht.

Thema Nummer eins der Ärzteschaft: die Bürokratie. „Der ganze Reformprozess ertrinkt in Formularen“, erklärte gestern Frank Ulrich Montgomery, Vorsitzender des Marburger Bundes – Über einen „enormen Zuwachs an Bürokratie“ klagte etwas vornehmer der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Manfred Richter-Reichhelm.

Während im Krankenhaus jeder Eingriff bis ins Kleinste dokumentiert und jeder Fall kodiert werden muss, liege ein Grund für den Anstieg der Papierflut bei den niedergelassenen Ärzten zweifellos in der Einführung der Praxisgebühr, so Richter-Reichhelm. Im ersten Quartal dieses Jahres habe man zudem zehn Prozent weniger Arztbesuche registriert. Ob das an der Gebühr liege und ob es wie befürchtet vor allem sozial Schwache seien, die auf Arztbesuche verzichteten, müsse noch analysiert werden, so der KBV-Chef. Doch eine für den Berliner Stadtteil Neukölln erstellte Studie legt genau das nahe. Die KBV findet, für das Mehr an Papierkram sollten die Kassen den Ärzten einen Euro pro Gebühr bezahlen.

Was den Niedergelassenen die Praxisgebühr, sind den Krankenhausärzten die Arbeitszeitregelungen. Die „pharisäerhafte Kleinkariertheit“ der Arbeitgeberseite verwässere den „großen Erfolg“, der für die Krankenhausärzte das Arbeitszeitgesetz darstelle, das seit Jahresanfang in Kraft ist. Seither gilt, dass der Bereitschaftsdienst zur Arbeitszeit zu zählen ist und 30-Stunden-Schichten somit nicht mehr drin sind. Theoretisch.

In der Praxis, beschwerte sich Montgomery, seien „Menschenschinderei, Ausbeutung und Lohndrückerei“ weiterhin Alltag. Er forderte die Arbeitgeberseite auf, die Verhandlungen um die Umsetzung des Gesetzes in Tarifverträge nicht weiter auszusitzen. Die heute in Bremen auftretende Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) möge den Arbeitgebern „auf die Füße treten“. Und während Schmidt laut Montgomery für die „Monetik“ da sei, ist es ein anderer für die „Ethik“: Heute spricht zu den rund 250 Ärzten auch Johannes Rau. Es ist einer seiner letzten Auftritte als Bundespräsident.

Susanne Gieffers