Alt werden mit guten Nachbarn

Die erste Wohngemeinschaft für demenzkranke Senioren wird in Köln-Porz eingerichtet. Ziel ist der Erhalt des gewohnten Umfelds und „alltagsnaher Normalität“ in gemütlichen Kleingruppen

Von JÜRGEN SCHÖN

Stadtrandidylle in Porz-Ensen: gepflegte Vorgärten vor schnuckligen Zweifamilienhäusern, eine Reihe dreigeschossiger Mietshäuser, dazwischen ein Neubau dezent braun-ocker geklinkert. Darin warten zehn Wohnungen auf Mieter. Drei weitere sind einem besonderen Zweck vorbehalten: Hier entstehen Wohngemeinschaften für Demenzkranke. Zwei WGs mit je acht Menschen sind schon belegt, eine dritte wird gerade in „Schnupperrunden“ zusammengestellt. Ein im Rheinland einmaliges Projekt: Den Kranken soll möglichst lange ein „normales“ soziales Umfeld erhalten bleiben.

Demenz ist eine „Volkskrankheit“. Sie kann gebremst, aber nicht geheilt werden. In Köln leiden darunter zwischen 10.000 und 14.000 von 161.700 Bürgerinnen und Bürgern, die älter sind als 65 Jahre, schätzt das Sozialdezernat. Das sind sechs bis neun Prozent. Hinzu kommen jährliche Neuerkrankungen von 1,9 Prozent dieser Altersgruppe. Etwa 60 Prozent der Demenzkranken leiden an Alzheimer.

1997 nahm sich die Stadt vor, die bis dahin „defizitäre pflegerische Infrastruktur für den Personenkreis der gerontopsychiatrisch veränderten, pflegebedürftigen Menschen“ zu verbessern. Der damals festgestellte Fehlbedarf von 1.000 vollstationären Plätzen wurde inzwischen um 614 abgebaut. Insgesamt werden heute 7.300 angeboten, die Prognosen gehen für 2006 von einem Bedarf von rund 8.600 Plätzen aus.

Wohngemeinschaften wie die in Porz, die vom Alexianer-Orden getragen werden, sind auch in Nippes geplant. Zwar haben inzwischen auch andere Träger wie die Niehler Heimstätten Pflegeplätze zu WGs zusammengefasst, doch liegen diese dann innerhalb des alten Komplexes, sind nicht in eine „normale“ Nachbarschaft eingegliedert.

18 Quadratmeter – ein neues Gesetz sieht weniger vor – sind die Zimmer in „Haus Rafael“ groß, jedes mit Bad und WC. Zwar stehen „hauseigene“ Möbel bereit, doch sollen die Bewohner nach Möglichkeit ihr eigenes Inventar mitbringen, damit sie sich „in gewohnter Umgebung sofort zu Hause fühlen“, erklärt Hausleiterin Elke Feuster das Konzept. Alles ist hell eingerichtet, an den Wänden hängen fröhliche Bilder. Die Einzelzimmer gruppieren sich um eine große, modern eingerichtete Wohnküche. Hier sollen die Männer und Frauen nach ihren Möglichkeiten auch die täglichen Notwendigkeiten wie Kochen oder Putzen selber erledigen. Dabei helfen ihnen zwei Pflegerinnen.

Die „Selbstorganisation des Alltags“ durch die Bewohner, die „alltagsnahe Normalität“, soll nicht nur für mehr Lebensqualität sorgen, sondern auch dafür, dass die täglichen Pflegekosten – die Kassen zahlen 60 bis 68 Euro – nicht höher sind als in vollstationären Einrichtungen, die bisweilen bis zu 100 Kranke betreuen. „Bei uns steht eben die Betreuung im Vordergrund, der Erhalt von Alltagskompetenz, nicht die Pflege,“ sagt Peter Scharfe, Geschäftsführer des Alexianer-Krankenhauses. Eine endgültige Kostenbilanz könne man aber erst in ein paar Jahren ziehen.

„Ich mache alles, was ich noch kann“, sagt die 88-jährige Maria Meyer* selbstbewusst, „der Rest bleibt eben liegen.“ Sie wohnt schon seit einigen Wochen in der WG und fühlt sich „zu Hause“. „Ich habe alle meine Möbel mitgebracht.“ Das stimmt zwar nicht ganz, aber der alte Lehnsessel reicht wohl als Halt aus der Gegenwart in die Vergangenheit. Wie die Bilder an der Wand, die ihr Mann gemalt hat.

Auch die Angehörigen der Kranken wissen die familiäre Atmosphäre zu schätzen und kommen oft und lange zu Besuch. Für viele war es nicht leicht gewesen, sich von Mutter oder Vater, Oma oder Opa zu trennen. Viele schämen sich deswegen, haben ein schlechtes Gewissen, obwohl sie oft Jahre lang deren steigende, oft lebensgefährdende Vergesslichkeit ertrugen und die Pflege der Kranken ihnen keinen freien Tag erlaubt. Für sie bietet die Kölner Diakonie Beratung und Hilfe an (Tel. 0221/97 62 37 73).

*Name geändert