Polizei in Brandenburger Blau?

In Anknüpfung an alte Traditionen haben sich Brandenburger Landwirte, Farbstoffhersteller, Färber und Stoffhändler zusammengeschlossen, um Naturfasertextilien mit Farben aus einheimischen Färberpflanzen zu kombinieren

Vielleicht könnte die Sommermode im Jahre 2006 mal so ausfallen: Rosé, Rubin oder Zimt. Cappuccino, sattes Schoko. Und die eigentliche Branchensensation: Alle Kleider, Hosen, Oberteile sind mit Textilfarben gefärbt, die aus einheimischen Färberpflanzen gewonnen werden.

Die Gegenwart sieht anders aus. Zwar in Rubin oder Zimt, aber eben nicht mit natürlichen Farbstoffen. Trotzdem sind „Farben aus der Natur“ nicht nur Wunschdenken, sondern angewandte Praxis – wenngleich nur von wenigen Pionieren. Wie dem Berliner Stoffhändler Steffen Weiß, der ganzheitlich auf Natur setzt. „Hanf, Leinen und Wolle sollte man konsequenterweise mit Pflanzenfarben färben und somit Natur nicht zur Chemie, sondern zur Natur bringen“, so sein Credo. Er präsentierte auf der Potsdamer Bundesgartenschau 2001 eine Damenkollektion aus pflanzengefärbten Naturtextilien, die sandfarbene, rotbraune und goldgelbe Braut- und Cocktailkleider, Kostüme, Westen und Hosen zeigte.

Der Färberrohstoff hierzu kam und kommt vom brandenburgischen Acker; wie dem von der Agrargenossenschaft Dürrenhofe, die auf einigen Hektar die Färberpflanzen Krapp und Färber-Resede anbaut. Während der goldgelbe Farbstoff der filigranen, kerzenförmig wachsenden Resede aus den oberen Pflanzenteilen gewonnen wird, steckt das rotbraune Pigment vom optisch eher unscheinbaren Krapp in der Wurzel.

Der Initiator des Anbaus ist Lothar Adam vom Landesamt für Verbraucherschutz und Landwirtschaft in Güterfelde bei Potsdam. Der Färberpflanzenexperte möchte damit an eine alte regionale Anbautradition anknüpfen, die durch die Petrochemie jahrzehntelang verdrängt wurde. „Naturfasern mit einheimischen Pflanzenfarben zu färben, ist eine Produktidee, die wir als Chance für regionale Partner sehen, deshalb wollen wir unbedingt Landwirte in Brandenburg mit einbinden“, sagt Adam. „Auch wenn es landbaulich schon ziemlich gut läuft, wollen wir auf gar keinen Fall etwas überstürzen, müssen sich pflanzengefärbte Naturtextilien doch erst langsam am Markt entwickeln“, warnt Adam vor hektischem Aktionismus. Während das Netzwerk aus Landwirten, Extraktionsunternehmen, Färbern, Ausrüstern und Stoffhändlern inzwischen steht, fehlt es doch noch am großen Konfektionär, der dieses textile Produkt auch in Serie produziert.

„Die Extraktion von pflanzlichen Pigmenten entsprechend industriellen Standards ist heute kein Problem mehr“, versichert derweil Ulla Eggers vom Naturfarbenhersteller Livos. „Wir können heute eine breite Palette von Farben aus verschiedensten Färberpflanzen extrahieren und je nach Bedarf mischen“, sagt die Biochemikerin vom bundesdeutschen Marktführer für Naturfarben. „Bisher sind die Aufträge für Textilfarben noch zu klein, um wirklich wirtschaftlich zu sein“, räumt sie allerdings ein.

Die Firma Spremberger Tuche hat in vielen Tests beweisen können, dass ein Färben von Naturtextilien mit Pflanzenpigmenten an großtechnischen Anlagen durchaus funktioniert. „Früher gab es mit Pflanzenfarben immer Ärger, weil die Pigmente zu groß oder zu klein waren“, erklärt Horst Kuhlee, Naturfaserexperte des Spremberger Textilausrüsters, „diese Probleme sind aber praktisch gelöst.“

Produktionstechnisch ist also alles startklar, fehlt nur noch eine verkaufsfördernde Imagekampagne, um die pflanzengefärbten Naturtextilien aus ihrem Nischendasein rauszuholen. „In diesem Frühjahr hat man auf den Modetagen in Florenz auch Markenartikel in Naturtextilien präsentiert und in England gibt es einen Trend zu historischen Modethemen aus Naturstoffen mit Pflanzenfarben“, sieht zumindest Ulla Eggers von Livos optimistisch in die Zukunft.

Das käme auch der brandenburgischen Textilkette zugute. Allerdings warten ihre Akteure nicht darauf, dass irgendein junger, wilder Designer aus Paris oder Mailand auf sie zukommt, sondern suchen neben dem nervösen Modebusiness nach Marktsegmenten, die nicht so sehr den modischen Trends unterworfen sind. „Ich könnte mir auch vorstellen, dass beispielsweise die Berliner Polizei künftig in einem pflanzengefärbten Hanf-Leinen-Dress auftritt“, sagt Steffen Weiss. Damit würden Brandenburgs Felder bunter werden. DIERK JENSEN