Frust essen Grafik auf

Enttäuschung angesichts der mangelnden Würdigung der eigenen Leistungen als mögliches Tatmotiv: Die Rückrunde im Streit um drei verschwundene expressionistische Bilder lässt den ehemaligen Leiter des Landesmuseums Oldenburg als Verlierer dastehen

Peter R., langjähriger Leiter des Landesmuseums Oldenburg, ist enttäuscht. Verurteilt hat man ihn. Ihn, der der örtlichen Kunstsammlung – so sieht er es selbst – durch seine Erwerbspolitik Werte eingebracht hat, die die anfallenden Gehaltskosten für seinen Posten in den Schatten stellen. Er habe Gemälde wie Tischbeins Odysseus und Penelope an die Hunte gebracht, und – wie sein Anwalt Herbert Coen jetzt vor dem Schöffengericht betonte – noch die Ordner für seine wissenschaftliche Arbeit aus eigener Tasche bezahlt.

Würde es ein solcher Mann ernsthaft fertig bringen, drei wertvolle Grafiken verschwinden zu lassen? In erster Instanz hatte man dem 65-jährigen Rentner mit dem untadeligen Lebenslauf noch geglaubt, er habe die fraglichen Werke von Ernst Ludwig Kirchner, Christian Rohlfs und Erich Heckel aus dem Nachlass seines Vorgängers, Walter Müller-Wulkow, nie gesehen und daher aus der Inventarliste gestrichen.

Nur seltsam, dass Peter R. die Neufassung dieser Liste sieben Tage nach seiner vorzeitigen Pensionierung in den PC tippte und dabei den Gesamtwert des Nachlasses exakt dem des Originaldokuments anpasste. Die dafür erforderlichen Umwertungen anderer Werke um bis zu 10.000 Euro wollte Oberstaatsanwalt Harald Liefert keineswegs als harmlose, dem ästhetischen Empfinden geschuldete Zahlenspiele durchgehen lassen. Auch der Versuch des Kunstkenners R., ersatzweise drei preiswerte Grafiken in die fragliche Mappe einzufügen und vom Hausmeister ins Museumsmagazin schmuggeln zu lassen, wurde nicht als gut gemeinte Spende, sondern als gezielter Betrugsversuch ausgelegt. Der Oberstaatsanwalt ist der Ansicht, die Querelen zwischen der Bezirksregierung und dem Angeklagten, die seiner Frühpensionierung vorausgegangen waren, könnten sich tatbegünstigend ausgewirkt haben.

Da fruchteten auch die engagierten Versuche des Angeklagten nichts, die dubiosen Vorgänge auf die schlampige Arbeit einer Kollegin zu schieben. Diese, so die Verteidigung, habe die erste Liste einfach übernommen, ohne jedes Kunstwerk einzeln zu überprüfen. Ihrem Chef sei dies angesichts der Masse an nachgelassenem Material ohnehin nicht möglich gewesen.

Amtsrichter Jörg Duvenhorst jedenfalls waren dies für eine Unschuldsvermutung entschieden „zuviele Merkwürdigkeiten“. Der im Prozess immer wieder durchscheinende Stolz des Angeklagten auf seine Leistungen für das Landesmuseum könne als Tatmotiv gesehen werden: „Sie haben Oldenburg mehr gegeben, als sie bekommen haben.“ Die Folge: „ausgleichende“ Selbstbedienung. Im juristischen Fachvokabular auch „veruntreuende Unterschlagung“ genannt.

Anders als es die lange Verfahrensdauer vielleicht vermuten ließ, blieb das Gericht deutlich hinter den Forderungen des Oberstaatsanwalts zurück und verurteilte R. zu einer Geldbuße von 6.000 Euro. Zuzüglich Prozesskosten. Christoph Kutzer