Wahlzettel abgegeben, Chaos bekommen

Nach den Wahlen auf den Philippinen verstärken widersprüchliche Prognosen die Zweifel am chaotischen Wahlablauf

MANILA taz ■ Sowohl Präsidentin Gloria Macapaal Arroyo als auch ihr Herausforderer Fernando Poe feiern sich bereits als Sieger der Wahlen vom Montag. Dabei ist erst ein Bruchteil der Stimmen ausgezählt. Arroyo servierte gestern der Presse bei einer Feier neben edlen Krabben und Pilzen auch gleich ihren politischen „Sechs-Jahres-Plan“. Ihr Erzrivale Poe feierte sich in einem „Siegesmarsch“ in Manilas Geschäftsviertel Makati.

Widersprüchliche Prognosen der Meinungsforschungsinstitute heizten das Chaos an. So sieht das Institut Social Weather Stations Arroyo mit 41 Prozent der Stimmen vorn, Poe dagegen mit lediglich 32 Prozent deutlich zurück. Auch das landesweite Fernsehnetzwerk ABS-CBN und die unabhängige Bewegung für freie Wahlen (Namfrel) prognostizierten zunächst einen hauchdünnen Sieg Arroyos. Gestern allerdings führte Poe laut Namfrel knapp. Eine andere Forschungsgruppe sah den Arroyo-Konkurrenten gar mit mehr als 40 Prozent weit vorn.

Auf dem Spiel steht jedoch nicht nur die Glaubwürdigkeit von Prognosen, sondern die des gesamten politischen Systems. Davon hänge alles ab, meint Raffy Albert besorgt. Der Aktivist der Nichtregierungsorganisation Centre for Popular Empowerment hat vor allem die Belange der armen Bevölkerung im Blick. Seine Skepsis über die philippinische Politik ist angebracht. „Ich habe in meinem Distrikt so viele Probleme mitbekommen“, sagte auch der Namfrel-Vorsitzende Jose Concepcion am Wahlabend. Zeugen hatten beobachtet, wie Umschläge mit Geld die Runde machten, dass Namen von Wählern auf den Listen fehlten und Wahlurnen verschwanden. Bisher half es auch wenig, dass der unmittelbar vor den Wahlen vor Stress zusammengebrochene Vorsitzende der staatlichen Wahlkommission, Benjamin Abalos, es inzwischen vor Besorgnis im Krankenhaus nicht mehr aushielt und sich selbst aus der Obhut der Ärzte entließ.

Gegen Korruption und Armut solle die Politik vorgehen, wünschen sich die beiden Straßenhändler Hermez und Franilyn Pazcual in Tondo, Manilas Armenviertel. Im Gegensatz zu den beiden sagt ein vorbeigehender Arbeiter auch gleich, wen er gewählt hat: „Natürlich FPJ!“, wie Poe von den Medien genannt wird. Der bisherige Schauspieler ohne politische Erfahrung ist vor allem bei den einfachen Leuten beliebt, die der traditionellen politischen Elite oft äußerst misstrauisch gegenüberstehen.

Seitens der Presse hagelte es nach dem Wahltag massive Vorwürfe: „Verrückt“ nannte der Philippine Inquirer den Ablauf, bei dem die Wähler mehr als 30 Namen auf handtuchgroße Zettel schreiben mussten. Die Wahlkommission habe drei Jahre zur Vorbereitung gehabt, merkte der Philippine Star bissig an. „Statt einer Modernisierung des Systems hat die Nation nun einen Skandal.“

Herausgeber und Kolumnist Max Soliven nannte diese Wahlen die bislang schmutzigsten: „Fast jeder, den ich getroffen habe, hat von massivem Betrug und Unregelmäßigkeiten gesprochen.“ Wer die Wahlen – oder die Auszählung – letztlich verliert, dürfte das kaum akzeptieren. So droht Poe schon mit einem „Volksaufstand“, sollte er nicht zum Sieger erklärt werden.

NICOLA GLASS