CDU kämpft weiter mit dem Irak

Wächst in der Partei die Kritik an Washington? Fast täglich melden sich Unionspolitiker mit distanzierenden Äußerungen zur amerikanischen Irakpolitik zu Wort. Doch ihre prinzipielle Haltung zum Irakkrieg hat die CDU damit noch nicht korrigiert

AUS BERLIN JENS KÖNIG

Gestern waren wieder einmal Wolfgang Schäuble und Friedbert Pflüger an der Reihe. Schäuble, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende von CDU/CSU, nannte die Misshandlungen irakischer Gefangener durch US-Soldaten „furchtbar“ und „entsetzlich“ und forderte Außenminister Joschka Fischer auf, das Thema bei seinem Washington-Besuch mit deutlichen Worten anzusprechen. Pflüger, der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, sagte, die Folter-Bilder würden „das diskreditieren, für das die westliche Welt und auch Amerika stehen, nämlich für Menschenrechte“.

So geht das jetzt seit Tagen. Ein Unionspolitiker nach dem anderen meldet sich zu Wort und lässt sich mit mal mehr und mal weniger kritischen Äußerungen zur Irakpolitik der USA zitieren. Am Montag war es CSU-Chef Edmund Stoiber, der die Folterungen als „Katastrophe“ bezeichnete und eine stärkere Rolle der UNO im Irak forderte. In der Öffentlichkeit führt diese Offenbarungsfreude zu dem unterschwelligen Eindruck, CDU und CSU würden ihre positive Haltung zum Irakkrieg langsam, aber sicher korrigieren. „Union: Kritik an Washington wächst“, lautete gestern eine Schlagzeile in der konservativen Welt. Genau auf diese Subbotschaft kommt es CDU-Chefin Angela Merkel an.

Sie will verhindern, dass SPD und Grüne die Christdemokraten im Europawahlkampf als Kriegstreiber vorführen können. Und so war es Merkel selbst, die mit zwei Interviews in der vorigen Woche die kritische Debatte in ihrer Partei befeuerte – ohne jedoch den Eindruck zu erwecken, die CDU müsse wegen ihrer Haltung zum Irakkrieg ein schlechtes Gewissen haben oder müsse ihre Positionen gar korrigieren. Es ist ein Kurswechsel, ohne den Kurs zu wechseln.

Bis vor einer Woche hatte die Parteichefin es überhaupt abgelehnt, sich auf eine Irakdebatte inhaltlich einzulassen. Erst nachdem der Folterskandal im Irak öffentlich geworden war, sah sie ein, dass sie mit ihrer sturen Haltung nicht länger durchkommt. Sie gab der Zeit und der Welt ein Interview. Zum ersten Mal fand sie für Fehlentwicklungen im Irak, die beim besten Willen von niemandem mehr zu leugnen sind, klare Worte. Die Folterexzesse? „Furchtbar“, sagte Merkel. „So etwas darf auf keinen Fall passieren.“ Die wachsende Destabilisierung? „Es hat offenkundig einen zu großen Optimismus gegeben, dass sich das militärische Eingreifen nahtlos in Demokratie umwandeln würde.“

Aber in der entscheidenden Frage, ob der Angriffskrieg gegen den Irak ein Fehler war, weicht Merkel nach wie vor aus und flüchtet sich ins Reich der Abstraktion. „Über einen Krieg lässt sich nicht locker formulieren, dass er ‚richtig‘ gewesen wäre“, sagte sie der Welt. „Krieg ist – wie der Papst gesagt hat – immer auch eine Niederlage der Diplomatie.“ Sie vergisst natürlich nicht hinzuzufügen, was daraus folgt: „Unsere Argumentation vor und nach dem Irakkrieg war konsequent und auch in der Rückbetrachtung richtig.“ Selbst die Erkenntnis, dass US-Präsident Bush den Irakkrieg schon planen ließ, bevor klar war, ob Saddam Hussein mit der UNO kooperiert, erschüttert Merkel nicht. Sie hält an ihrer schröderkritischen These fest, dass ein einiges Europa auf Bush hätte Einfluss nehmen können. „Die Dinge hätten sich dann anders entwickelt“, glaubt sie.

Vor einem Jahr sagte Merkel in einem Moment seltener Klarheit, der Irakkrieg sei „am Ende unvermeidbar gewesen“. Davon ist die CDU-Chefin wohl immer noch überzeugt. Aber sie traut es sich nicht mehr zu sagen. Merkel bewegt sich in der Irakfrage. Aber sie tritt auf der Stelle.