Eine Auszeichnung für „Unmenschlichkeit“

Mitarbeitern eines Ordnungsamts wurde ein „Denkzettel“ wegen Rassismus verliehen – nun ziehen sie vor Gericht

BERLIN taz ■ Am 21. März verlieh der Flüchtlingsrat Brandenburg einen Denkzettel an einen Dezernenten des Ordnungsamts im Brandenburger Landkreis Elbe-Elster – für „systeminternen und strukturellen Rassismus“. Die gleiche Auszeichnung ging an einen Mitarbeiter der Ausländerbehörde. Anlass war der Internationale Antirassismus-Tag, an dem zum achten Mal ein „Denkzettel“ verliehen wurde. Dabei geht es nicht um offenen Rassismus, sondern um legales Verhalten, bei dem bestehende Ermessensspielräume nicht genutzt werden. Zum ersten Mal in seiner Geschichte ist der Denkzettel nun Gegenstand einer Gerichtsverhandlung.

Die „ausgezeichneten“ Herren fühlen sich beleidigt. Das Rechtsamt des Landrates will dem Flüchtlingsrat per einstweilige Verfügung untersagen, „unwahre Behauptungen“ aufzustellen. Das angedrohte Ordnungsgeld beträgt bis zu 250.000 Euro. Heute wird vor dem Amtsgericht Potsdam verhandelt.

Anlass für den Denkzettel war die Abschiebung einer kurdisch-türkischen Familie, die im April 2003 von der Polizei aus dem Kirchenasyl geholt wurde. Es war das erste Mal, dass Brandenburgs Behörden ein Kirchenasyl brachen. Die Eltern, die psychische Probleme hatten, wurden festgenommen und kamen in Abschiebehaft, ihre drei Kinder ins Heim. Für 55.000 Euro wurde eine Chartermaschine bestellt, ohne dass die Familie über den Zeitpunkt der Abschiebung informiert wurde.

Der Bischof der evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, Wolfgang Huber, protestierte in einem Brief an die Landesregierung gegen den Bruch des Kirchenasyls. Der Flüchtlingsrat fand die Abschiebung „unmenschlich“, das Vorgehen „von rücksichtloser Härte und einer Unzahl falscher Aussagen geprägt“ und verlieh den Denkzettel.

Das Rechtsamt des Landkreises rechtfertigt seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung damit, dass die beiden Mitarbeiter „in Ansehen und Ehre verletzt werden“. Es würden „ehrangreifende, polemische Behauptungen aufgestellt, die überzogen und völlig unsachlich“ seien. Der Flüchtlingsrat Brandenburg soll es unterlassen, die Mitarbeiter „direkt oder indirekt als Rassisten, rücksichtslos, unmenschlich oder ähnlich beleidigend oder verleumderisch“ zu bezeichnen.

„Es ist schon erstaunlich, mit welchem Ausmaß an Identifizierung offensichtlich die Mitarbeiter ihre Tätigkeit versehen, wenn aus der Bezeichnung einer Abschiebung als ‚Akt der Unmenschlichkeit‘ die Behauptung abgeleitet wird, die die Abschiebung durchführenden Sachbearbeiter seien als unmenschlich bezeichnet worden“, argumentiert Gesa Schulz, die Anwältin des Flüchtlingsrates, in ihrem Widerspruch – und sieht der Verhandlung gelassen entgegen.

BARBARA BOLLWAHN