Alles eine Frage der Interpretation

Die Ausstellung „When Love Turns to Poison“ endete mit einer Diskussion. Podium war sich einig: Der Skandal ist nicht die Kunst, sondern die Kampagne der Springer-Blätter dagegen. Deren Vertreter glänzten leider durch Abwesenheit

Eigentlich sollte es auf der Podiumsdiskussion gestern Nachmittag im Künstlerhaus Bethanien um die am gleichen Tag zu Ende gehende Skandal-Ausstellung „When Love Turns to Poison“ gehen. Diskutiert wurde aber vor allem über die Kampagne der Boulevardblätter Bild und B. Z. gegen die Schau. Vertreter der Springer-Presse hatten zwar Einladungen zu der Veranstaltung erhalten, waren aber ohne Kommentar ferngeblieben. So kritisierte das Podium einstimmig die „Hetzkampagne“, die in den Rücktrittsforderungen an PDS-Bezirksbürgermeisterin Cornelia Reinauer gipfelte.

„Die CDU macht Politik mit der Ausstellung“, sagte der Journalist Andreas Fanizadeh. Die Kunsttheoretikerin Silke Wenk von der Uni Oldenburg ging so weit, die Skandalisierungsmechanismen der Springer-Kampagne mit Methoden zu vergleichen, mit denen 1938 gegen die so genannte „entartete Kunst“ vorgegangen wurde: „Da werden Bilder als pornografisch kritisiert und zugleich zeigt man sie, und zwar so häufig wie möglich“, sagte Wenk. Erst dadurch seien die Bilder sexualisiert worden.

Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den gezeigten Werken fand dagegen nicht statt. Kurator Stéphane Bauer bewies einmal mehr seine mangelnden Sensibilität beim Umgang mit dem Thema Kindesmissbrauch: So nähmen nur zwei Werke explizit Bezug auf das Thema, drei bis vier andere beschäftigten sich mit der „Sexualität von Heranwachsenden“ – allerdings wahrgenommen durch die Fantasie eines Erwachsenen, aber das erwähnte Bauer nicht.

„Uns fehlte eine klare Positionierung und Abgrenzung zur Pädophilie“, kritisierte Sabine Bresche vom Berliner Landesverband des Deutschen Kinderschutzbundes. So sei die Interpretation allein dem Betrachter überlassen geblieben. Bedenklich sei dabei auch das Medium der in die Kritik geratenen Arbeiten von Matthias Seidel: Gerade Fotos und Videos dienten in pädophilen Kreisen als Vorlage.

Interessante Beiträge kamen dagegen aus dem Publikum. Eine Frau bemerkte, dass man sich längst an Pornografie im Alltag gewöhnt habe: „Was ist besonders an den Unterhosen-Bildern von Thomas Hauser? Das zeigt Sisley am Hackeschen Markt schon seit Jahren im Großformat“, so die Frau: „Warum ist die Ausstellung der Skandal und nicht das, was sie nur widerspiegelt?“ WIBKE BERGEMANN