Oberschüler des Lebens

Im Senegal gelten Daara J bereits als Elderstatesmen der florierenden HipHop-Szene. Mit seinem Album „Boomerang“ hat das Rap-Trio aus Dakar nun auch in Europa Erfolg

Beeinflusst vom US-HipHop, nahmen die Jungs von Daara Jihre ersten Tapes auf

Sind es 2.000, 4.000 oder gar 8.000 HipHop-Crews, die in den Straßen, Clubs und Garagen von Dakar derzeit an ihren Battle-Rhymes basteln? Selbst Schätzungen von Szenekennern schwanken in beachtlichen Größenordnungen. Doch so unübersichtlich die Szene in der Hauptstadt des Senegal auch sein mag – für die Underground-Crews wie für die international bekannten Gruppen gilt noch immer das Glaubensbekenntnis, das die HipHop-Crew Pee Froiss vor einigen Jahren in eherne Reime schmiedete: „HipHop und ich, wir hängen aneinander wie der Schäfer an seiner Herde, wie der König an seinen Untertanen, wie der Dieb an seiner Waffe, wie ein Macho an seinen Huren, wie ein Politiker an seinen Lügen, wie der Prophet an seinen Jüngern.“

In die Welt getragen werden diese Psalmen des afrikanischen HipHop derzeit von niemandem besser als von Ndongo D, Faada Freddy und Aladji Man, den drei Rappern, Textern und Frontleuten von Daara J. Mit ihrem aktuellen Album „Boomerang“, der zweiten CD-Produktion für den europäischen Markt, sorgten Daara J im vergangenen Jahr zunächst in Frankreich für Aufsehen, im Januar 2004 wurden sie von der BBC zur besten afrikanischen Gruppe erkoren.

Daara J rappen in Wolof, Französisch, Spanisch und Englisch. Ihrer Mischung aus Mandingo-Melodien und Straßenreimen, Roots-Reggae und Latin-Grooves, aus ohrwurmträchtigen Refrains und politisch-religiösen Messages kann man sich kaum widersetzen. Und mit Gästen wie dem Salsamuffin-Star Sergent Garcia, der Sängerin Rokia Traoré aus Mali oder dem Rapper Disiz La Peste aus dem Senegal finden sich auf „Boomerang“ klangvolle Namen.

Das Album wurde vor knapp zwei Jahren in Paris eingespielt und liegt mit seiner Hightech-Produktion Welten entfernt von den Anfängen der Band, die Anfang der Neunzigerjahre in Dakar gegründet wurde. „Wir haben mit Beatbox und Kassettenrecorder angefangen und wurden gnadenlos vom amerikanischen HipHop beeinflusst“, erzählt Faada Freddy. „Grandmaster Flash, Afrika Bambaata und Public Enemy waren unsere Vorbilder, an die wir natürlich nie heranreichen konnten, weil wir weder Plattenspieler noch Vinyl hatten. Wir haben sehr viel mit Freestyles, mit Human Beatbox, traditionellen Trommeln und eben mit Tapes gearbeitet. Unsere ersten Kassetten klingen wirklich nicht sehr gut.“

Dennoch haben sich Daara J schnell in die erste Liga der HipHop-Crews im Senegal gespielt, sie gehören mit Positive Black Soul (PBS) und Pee Froiss zu den Motoren der zweiten und eigenständigen Welle von afrikanischen Rappern.

Mit ihrer Hymne „Boul Fale“ („Mach dir keine Gedanken“) schrieben Positive Black Soul einst die HipHop-Hymne jener Generation, die zwischen der politischen Unabhängigkeit ihres Landes und dem Fluch der Massenarbeitslosigkeit groß wurde. Spätestens durch diesen Hit wurde der HipHop auf die Straße getragen und Teil der Alltagskultur, nachdem er zunächst eher ein Spielfeld der Mittelstands- und Diplomatenkids war.

Im Kampf gegen die etablierte Mbalax-Musik von Youssou N’Dour und dessen Epigonen hatte die HipHop-Generation einen gemeinsamen Gegner, und in den Geburtstagspartys von Positive Black Soul fand die Szene ihre initiationsartigen Events. Dank der Songs von PBS, Pee Froiss und Daara J wuchs das Selbstbewusstsein und der Wunsch nach einer eigenen Interpretation von HipHop.

Eine Perspektive, die Daara J auch mit „Boomerang“ wieder thematisieren. „Boomerang bezeichnet die Reise der Musik“, erklärt Aladji Man. „Durch die Sklaven wurde sie nach Amerika gebracht, über Europa ist der HipHop vor zwanzig Jahren wieder nach Afrika zurückgekehrt. Wir bringen jetzt eine neue Verbindung unserer Roots mit Sounds der Diaspora nach Europa.“

Dabei sind Daara J durchaus bereit, sich vom rauen Street-Sound der Anfangszeit zu verabschieden. Aber von ihrem Anspruch, Prediger und Lehrer von der Straße und für die Straße zu sein, will sich das Trio nicht verabschieden. „Unser Name kommt aus dem Wolof und heißt ‚die Schule des Lebens‘. Für uns war und ist das Leben eine Schule, und wir denken, dass wir diese Idee auch in unserer Musik tragen. Der Senegal hat sich entwickelt, Afrika hat sich entwickelt, Daara J hat sich auch entwickelt. Und wir bleiben diesem Begriff der Schule des Lebens treu.“

BJÖRN DÖRING