Ausbildungsgesetz mit Hintertür

Der Bundestag hat die umstrittene Ausbildungsumlage beschlossen – aber die Wirtschaft kann die Abgabe mit einem eigenen „Pakt für Lehrstellen“ noch verhindern. Stichtag ist der 30. September

AUS BERLIN ANDREAS SPANNBAUER

Betriebe, die nicht ausbilden, müssen künftig zahlen. Möglich macht das die so genannte Ausbildungsumlage, die der Bundestag gestern beschlossen hat. Das Gesetz soll allen Jugendlichen eine Lehrstelle verschaffen. Unternehmen, die weniger als sieben Prozent Lehrlinge unter ihren Mitarbeitern haben, müssen in einen Fonds einbezahlen; wer über dieser Quote liegt, erhält einen Zuschuss.

Die rot-grüne Koalition rechtfertigt das Gesetz mit der Ausbildungssituation – allein Ende März fehlten rund 167.000 Lehrstellen. Bildungsministerin Edelgard Bulmahn fürchtet außerdem, dass der Wirtschaft sonst bald die ausgebildeten Mitarbeiter ausgehen werden. „Fachkräfte fallen nicht vom Himmel, sie müssen ausgebildet werden“, sagte Bulmahn im Bundestag. Die grüne Bildungsexpertin Grietje Bettin betonte, es gehe nicht um eine „Strafabgabe“. Die Umlage sei ein Ausgleich innerhalb der Wirtschaft, weil das Geld wieder in die Kassen jener Betriebe fließe, die überhalb der Quote ausbildeten.

Das Gesetz war vor allem von den Gewerkschaften verlangt worden. Der Vorsitzende der IG-Metall, Jürgen Peters, begrüßte daher die Verabschiedung der Umlage. Wirtschaftsverbände sowie Union und FDP warnen dagegen eindringlich vor negativen Folgen. Durch die starre Ausbildungsquote von sieben Prozent würden Jugendliche in Berufe gedrängt, „die morgen möglicherweise gar nicht mehr gefragt sind“, erklärte der Präsident des Bundesverbands der deutschen Industrie, Michael Rogowski. Der CDU-Abgeordnete Werner Lensing rechnete damit, dass die Umlage zu mehr Arbeitslosen führen wird, weil mit der Zahl der Mitarbeiter auch die Ausbildungsverpflichtung steige – und Betriebe daher auf Neueinstellungen verzichten könnten.

Die Wirtschaft kann die Abgabe aber noch immer verhindern. Falls bis zum Stichtag – dem 30. September – ein „Pakt für Ausbildung“ zwischen Tarifpartnern und Kommunen zustande kommt, wird das Gesetz nicht angewendet. In dem Pakt sollen sich die Unterzeichner verpflichten, alle Jugendliche ohne Lehrstelle zu versorgen. Das Kabinett kann in diesem Fall selbst dann auf die Erhebung verzichten, wenn noch Lehrstellen fehlen sollten. Die Wirtschaft will den Pakt aber nur unterschreiben, wenn das Gesetz gestoppt wird: „Das Gesetz als solches verhindert einen Pakt“, erklärte der Geschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Martin Wansleben.

Für Gespräche bleibt noch Zeit bis Anfang Juli – dann debattiert der Bundesrat über die Ausbildungsumlage. Die Länderkammer kann das Gesetz nur mit einer Zweidrittelmehrheit kippen.