DIE ARBEITGEBER GEWINNEN DEN TARIFSTREIT IM OSTEN
: Mit Unsinn zum Erfolg

Im Streit um die Einführung der 35-Stunden-Woche in Ostdeutschland haben die Arbeitgeber gewonnen – zumindest in der Rubrik „Vorherrschaft über die öffentliche Meinung“. Die Drohung etwa von BMW oder Siemens, tausende von Arbeitsplätzen aus Sachsen oder Brandenburg nach Osteuropa zu verlagern, hat bei den Arbeitnehmern Panik ausgelöst, auch wenn sie unsinnig ist. Denn die Löhne, die in Polen oder Ungarn gezahlt werden, können die Ostdeutschen auch jetzt nicht unterbieten. Schon bislang haben Unternehmen ihre Produktion in Teilen nach Osteuropa verlagert, und sie werden es nach deren EU-Beitritt verstärkt tun. Das ist ein vom derzeitigen Streik völlig unabhängiger Prozess.

Trotzdem sind die Gewerkschafter in der Defensive. Wenn der designierte IG-Metall-Chef Jürgen Peters mit der Ankündigung, flexible Regelungen seien denkbar, „Kompromissbereitschaft signalisiert“, dann wiederholt er nur Altbekanntes. Auch bislang lag es den Streikenden fern, ab dem ersten August flächendeckend Arbeitszeitverkürzungen zu fordern – langjährige Übergangsregelungen waren von Anfang an vorgesehen, ebenso wie die unterschiedliche wirtschaftliche Leistungskraft der Unternehmen berücksichtigt werden sollte.

Doch das jetzt nochmals als Entgegenkommen zu formulieren, wird der IG Metall nicht helfen. Die Arbeitgeber haben es geschafft, die streikenden Gewerkschafter zu isolieren – von ihren ostdeutschen Kollegen, da sie angeblich deren Interessen nicht wirklich vertreten, und von den westdeutschen, weil sie ihnen den Wirtschaftsaufschwung verderben. Nach dieser Logik ist die einzige Forderung, die die Arbeitnehmer im Osten noch erheben dürfen, dass die Unternehmen überhaupt dort investieren. Über die Arbeitsbedingungen sollen nur die Geldgeber entscheiden.

Doch die Abspaltung einer „Sonderwirtschaftszone Ost“, in der Arbeitnehmer weniger Rechte und Chancen haben als im Westen, wird das Land auf Dauer nicht aushalten: Ostdeutschland liegt nun mal in der Bundesrepublik und nicht in Polen.

HEIKE HOLDINGHAUSEN