Massaker in Nigeria

Einem Überfall christlicher Milizen fallen in der nigerianischen Stadt Yelwa 630 Muslime zum Opfer

YELWA afp/ap/epd ■ Die Menschen sind beklemmend still. Schweigend reihen sich Alte, Frauen und Kinder an einem einfachen Holztisch auf, an dem Rot-Kreuz-Mitarbeiter in der nigerianischen Stadt Yelwa die überlebenden Opfer des jüngsten Massakers christlicher Milizen notdürftig versorgen. „Die meisten kommen mit Schusswunden oder Macheten-Verletzungen“, sagt Umar Abdu Mairiga vom Roten Kreuz. Er deutet auf einen kleinen Jungen in den Armen seiner Mutter. Seine untere Gesichtshälfte ist durch eine tiefe, zehn Zentimeter lange Fleischwunde entstellt.

Zweimal, am Sonntag und am Dienstag, war die Stadt angegriffen worden. Die nigerianische Polizei hatte die Zahl der Toten nach dem Angriff vom Dienstag auf 80 beziffert. Die Behörden in Nigeria spielen die Opferzahlen aber häufig herunter, um Racheakten in dem von ethnischen und religiösen Konflikten geplagten Land vorzubeugen.

„Dieser Angriff war jenseits aller Vorstellungskraft. Es war einfach unbeschreiblich“, berichtet Adilu Yinuss. „Wir haben mehr als 630 Menschen begraben“, sagt der Lokalpolitiker Yakubu Haruna. „Sie haben uns nur angegriffen, weil wir Muslime sind“, klagt Haruna am Rande der 50 x 10 Meter großen Grube.

Mohamed Babayaro hat bei dem Angriff alles verloren. Zwei seiner vier Frauen und elf seiner 22 Kinder seien ermordet worden, berichtet der Mann. Mehrere Mädchen hätten die Angreifer verschleppt. Soldaten haben an den Ortseingängen zum Schutz mittlerweile zwei Straßensperren errichtet. Wer in die Nachbarorte will, bekommt eine Eskorte.

Ein Tarok-Führer in Shemdan bezeichnete den Überfall auf den Nachbarort Yelwa als Racheakt einiger „christlichen Jungs“ für einen Hausa-Angriff auf das christliche Dorf Kawo. Diese Angaben konnten zunächst nicht überprüft werden. Im Februar sollen Muslime aus Yelwa mindestens 50 Menschen getötet haben, von denen sich viele in einer Kirche versteckt hatten.

Nach Ansicht der Gesellschaft für bedrohte Völker trägt Nigerias Regierung eine Mitschuld am Massaker. Der Afrikareferent der Menschenrechtsorganisation, Ulrich Delius, sagte gestern in Göttingen: „Hunderte Menschenleben hätten gerettet werden können, wenn die Behörden rechtzeitig den Schutz der in der Stadt lebenden Muslime verstärkt und sich um eine Vermittlung zwischen den Konfliktparteien bemüht hätten.“

Seit der Wahl von Olusegun Obasanjo zum Präsidenten 1999 wurden bei derartigen Gewaltakten Schätzungen zufolge 10.000 Nigerianer getötet. Vor allem im Bundesstaat Plateau kämpfen Christen und Muslime immer wieder um fruchtbares Land.