Bald heißt es auch noch: Kölle Allah!

In Köln hat sich der erste türkische Karnevalsverein gegründet. Mit dem Verein wollen die Initiatoren zeigen, dass das freizügige Brauchtum auch muslimisch gefeiert werden kann. Mancher Kölner fürchtet schon Alkoholverbot und Burkagebot

AUS KÖLN PASCAL BEUCKER

Kurz vor der Proklamation des Dreigestirns der Session 2009 ist der kölsche Karneval um eine Attraktion reicher geworden. In der Domstadt hat sich der erste Türkische Karnevalsverein Deutschlands (TKVD) gegründet. Am heutigen Donnerstag präsentiert er sich erstmals der Öffentlichkeit. „Der Kölner Frohsinn ist etwas, das auch wir Türken in unseren Herzen tragen“, verkünden die Initiatoren, eine Gruppe türkischstämmiger Kölner.

Obwohl sie in Köln aufgewachsen und der Stadt „aus tiefstem Herzen verbunden“ seien, fühlten sich viele Türken in Sachen Karneval immer noch „aufgrund der kulturellen Differenzen ausgeschlossen“, heißt es in einer Selbstbeschreibung des neuen Vereins. „Insbesondere für die orthodoxen Muslime, zu denen wir uns zählen, ist die Art und Weise, wie der Karneval in Köln zelebriert wird, mit Konflikten behaftet.“ Besondere Probleme bereiteten die „Freizügigkeit der Geschlechter“ und der „übermäßige Alkoholkonsum“. Beides sei für viele gläubige Muslime nicht mit ihrer religiösen und kulturellen Überzeugung zu vereinbaren. Mit dem ersten türkischen Karnevalsverein der Bundesrepublik wolle man nun den „türkischen Landsleuten eine Möglichkeit bieten, eine eigene Karnevalskultur zu entwickeln“ – und zeigen, dass das kölsche Brauchtum auch mit muslimischen Grundsätzen zu vereinbaren ist.

35 Mitglieder zählt der Verein bislang. „Aber wir rechnen damit, dass es sehr schnell viel mehr werden“, sagt Katharina Starke, die für den TKVD die Medienarbeit übernommen hat. Derzeit sind die Neukarnevalisten dabei, eigene Sitzungen zu organisieren. „Die Planung ist in vollem Gange“, berichtet Starke der taz. Alkoholfrei soll es auf den Veranstaltungen zugehen, ein Funkenmariechen wird es auch nicht geben. Aber ansonsten solle sich der Ablauf nicht gravierend von dem einer „richtigen“ Karnevalssitzung unterschieden, Tanzgruppen und Büttenreden inklusive. Voreilige Mutmaßungen, es sei vorgesehen, Männer und Frauen getrennt feiern zu lassen, tritt Starke entschieden entgegen: „Es geht nicht darum, die Geschlechter zu trennen, aber es soll etwas gesitteter zugehen.“ Dabei wären geschlechtergetrennte Sitzungen gar nichts Ungewöhnliches. Im Gegenteil: Damen- und Herrensitzungen gehören zum festen Repertoire diverser kölscher Karnevalsvereine.

Die Reaktionen in der Domstadt auf den neuen Verein sind gemischt. Während das Festkomitee des Kölner Karnevals positiv reagierte und auch schon Kontakt zu den Organisatoren aufgenommen hat, wähnen andere bereits das ganze christliche Abendland in Gefahr. So sieht eine im Stadtrat vertretene rechtsextreme Gruppierung ein „Alkoholverbot bis Ende Februar“ sowie ein „Burkagebot für Karnevalistinnen“ heraufziehen. Auch im Internet wird schon seit einigen Tagen über die muslimischen „Bützjenmuffel“ auf einschlägigen Seiten „diskutiert“. Solch negativen Reaktionen hätten sie schon überrascht und auch besorgt, räumt TKVD-Frau Starke ein. „Aber dann haben wir uns gesagt: Wir wollen mitfeiern und lassen uns auch nicht von Menschen mit einer derartigen absurden Gesinnung davon abbringen.“

Tatsächlich schließt sich mit dem TKVD eine der letzten Lücken der kölschen Brauchtumspflege. Denn im Gegensatz zu anderen Orten hat es der Karneval in Köln längst geschafft, mehr zu sein als das Fest des deutschen Spießbürgers: Hier gibt es neben dem Rosenmontagszug noch einen Geisterzoch, neben der Prunk- auch eine Stunksitzung. Schwule und lesbische Karnevalssitzungen sind ebenfalls im Angebot. Linksradikale und Autonome schunkeln im Q-Hof oder der Lotta. Jetzt heißt es eben auch noch: Kölle Allah!