Union privatisiert Mund-Innenraum

CDU-Vorstand billigt Konzept für Reform der gesetzlichen Krankenkassen. Patienten sollen sich privat gegen Zahnerkrankungen und Freizeitunfälle versichern. Experten geben Seehofer Recht: Union ließ Kosten für Zahnersatzversicherung schönrechnen

von ANDREAS SPANNBAUER

Die Behandlung von Zahnerkrankungen soll nach dem Willen des CDU-Bundesvorstands komplett aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen gestrichen werden. Eine private Versicherung gegen Zahnerkrankungen führe zu „erheblichen Anreizen für eine bessere Prophylaxe“, heißt es in einem Papier der parteiinternen Kommission, die sich unter Führung von Exbundespräsident Roman Herzog mit der Reform des Gesundheitssystems beschäftigt hat. Der CDU-Bundesvorstand unterstützte die Vorschläge am Wochenende bei seiner Klausurtagung im brandenburgischen Bad Saarow. Endgültig will die CDU auf ihrem nächsten Parteitag im Dezember über das Konzept beschließen.

Neben der Zahnbehandlung sollen auch Freizeitunfälle nicht mehr von der gesetzlichen Krankenversicherung abgedeckt werden. Durch die Herausnahme von Leistungen will die CDU die Kassen bis 2010 um jährlich rund 53 Millionen Euro entlasten. Der Beitragssatz soll dauerhaft von 14,4 Prozent auf 10,4 Prozent des Bruttolohns sinken.

Kranke sollen sich demnach in Zukunft auch „angemessen“ an den Kosten von ambulanter und stationärer medizinischer Behandlung beteiligen. Davon verspreche man sich eine „kostendämpfende Wirkung beim Versicherten im Blick auf die Inanspruchnahme von Leistungen“. Eine so genannte Bürgerversicherung, in die auch Selbstständige und Beamte einzahlen müssten, wird von der Union ausdrücklich abgelehnt.

Die Kommission empfiehlt zudem die teilweise Aufgabe der paritätischen Finanzierung der gesetzlichen Krankenkasse. Der Anteil der Arbeitgeber soll bei 6,5 Prozent eingefroren werden, um die Lohnnebenkosten dauerhaft zu senken. Davon werden 5,8 Prozent steuerfrei dem Arbeitslohn der Versicherten zugeschlagen. 0,7 Prozent des Beitragssatzes müssen die Arbeitgeber für die Finanzierung des Krankengeldes verwenden, für das diese künftig allein aufkommen sollen. Die ebenfalls von der Union vorgeschlagene private Vorsorge für Zahnersatz ist für die Patienten nach Angaben von Experten teurer als bisher angegeben. Statt mit 7,50 Euro monatlich müssten die Versicherten mit Kosten in Höhe von 9 bis 12 Euro rechnen, sagte ein Sprecher der Deutschen Krankenversicherung. In den Kalkulationen sei die Alterung der Bevölkerung nicht berücksichtigt. Wie es dazu kam, erklärte der Geschäftsführer des Verbands der privaten Krankenversicherer, Christian Weber, dem Focus: „Aus der Union ist die Bitte an uns herangetragen worden, günstiger zu rechnen.“

Durch die Aussagen der Versicherungsexperten erhielt auch der CSU-Sozialexperte und Vize der Unionsfraktion im Bundestag, Horst Seehofer, Rückendeckung. Seehofer hatte die Berechnungen für die Kosten einer privaten Zahnersatzversicherung als „unseriös“ und „nicht plausibel“ bezeichnet.

Am Sonntagabend wollten die CDU-Vorsitzende Angela Merkel und der CSU-Landesgruppenchef Michael Glos mit Seehofer ein klärendes Gespräch führen, um ihn vom Kurs der Union zu überzeugen. Falls Seehofer die Pläne für eine private Versicherung des Zahnersatzes weiterhin kritisiere, könne er auch nicht die anstehenden Verhandlungen mit der Bundesregierung führen, betonte Merkel. CSU-Chef Edmund Stoiber ging dagegen davon aus, dass Seehofer Verhandlungsführer der Union bleibt. Der CDU-Sozialpolitiker Hermann-Josef Arentz warnte vor einer Demontage Seehofers.

Ungeachtet des Streits in den eigenen Reihen will die Union in dieser Woche mit der Regierung über die Gesundheitsreform verhandeln. Merkel telefonierte am Wochenende mit Kanzler Schröder (SPD) und vereinbarte ein persönliches Gespräch.