taz-Serie: „Ware Umwelt“, Teil 1
: Wenn Wasser knapp ist, entstehen die seltsamsten Geschäftsideen. Doch nicht immer bringen sie das große Geld

Schiffbruch mit Wasserschläuchen

Für die Neuzeit das, was die römischen Aquädukte in der Antike waren: Das wollte „Nordic Water Supply“ (NWS) sein, eine norwegische Firma mit großen Plänen für den schwimmenden Wassertransport. Doch nach mehreren Jahren mit roten Zahlen verloren die Investoren im Mai die Geduld und drehten den Geldhahn zu. NWS meldete Konkurs an. Doch ein Projekt haben sie verwirklicht.

Zwei Jahre lang transportierten sie Wasser vom türkischen Festland zum türkischen Teil Zyperns. Der Auftraggeber, das türkische Energieministerium, allerdings zahlte nur das, was auch ein Transport per Schiff gekostet hätte. Das deckte nicht einmal die Hälfte der Kosten, die NWS tatsächlich hatte.

Die Osloer Firma setzte auf 200 Meter lange Schläuche, in denen bis zu 35.000 Tonnen Wasser transportiert werden können. Das Spezialschiff „MV Orion“ schleppte sie mehr als 100 Kilometer über das Mittelmeer. Sie wurden geleert, am Heck des Schiffs wie ein Gartenschlauch zusammengerollt und zurückgebracht. 1,5 Millionen Kubikmeter Wasser erhielt Zypern so in den Jahren 2001 und 2002. Im letzten Jahr sollte es dann die vierfache Menge sein, NWS aber bekam die technischen Probleme nicht in den Griff: Das Schleppschiff machte Schwierigkeiten, die Schläuche lösten sich vom Haken, mussten mühsam wieder eingefangen werden, Voll- und Leerpumpen dauerten länger als erwartet.

Die norwegische Wirtschaftspresse mutmaßte, die Investoren – hauptsächlich das saudi-arabische Finanzkonglomerat Arabian Abdul Latif Jameel Group und die japanische Reederei Nippon Yesen Kaisha – fanden das Geschäft nicht nur aus technischen, sondern auch aus politischen Gründen nicht mehr lohnend. Denn mit den Einigungsgesprächen zeichnete sich ein Ende der Isolation des türkischen Zypern ab. Große Meerwasserentsalzungsanlagen im griechischen Teil können das Wasser künftig wohl billiger liefern. NWS hingegen spekulierte, die Türkei wolle ein Wasserlieferant für ganz Zypern und die östliche Mittelmeerregion werden.

Seit 1990 transportiert NWS Wasser, versorgte zunächst Ölplattformen. Die Schläuche hatten gerade mal eine Kapazität von 500 Tonnen, nur drei Jahre später erfand die Firma einen für 10.000 Tonnen. 1997 schloss sie den Vertrag mit dem türkischen Staat und entwickelte dafür den noch größeren Schlauch – aber wohl vergeblich. Auf dem europäischen Markt gibt es jetzt nur noch die griechische Konkurrenz Aquarius Water. Im Gegensatz zu NWS sparte sie die enormen Forschungs- und Entwicklungskosten, begnügte sich von vornherein mit kleineren Systemen: Zigarrenförmige Gebilde transportieren maximal 2.000 Kubikmeter Wasser und werden einfach an größere Fischerboote gekoppelt. Aquarius versorgt so vor allem griechische Inseln mit Festlandwasser.

REINHARD WOLFF

„Umwelt als Ware“ ist eine Serie zum Kongress McPlanet.com, der am Wochenende in Berlin stattfindet, veranstaltet von BUND, Greenpeace und Attac. Morgen: Matthias Urbach über Naturtourismus