sicherheitsforschung
: Die zivil-militärische Forschungslücke

Veröffentlichungen und die kritische Diskussion von Forschungsergebnissen gehören zu den Grundpfeilern wissenschaftlichen Arbeitens. Für einen Teil der europäischen Forscher könnte damit bald Schluss sein. Zwar ist heute schon der eine oder andere Wissenschaftler in seiner Informationsfreiheit eingeschränkt. Weil zum Beispiel ein Unternehmen das Erstzugriffsrecht auf die neuesten Ergebnisse hat und sie vor der Publikation zum Patent anmelden möchte. Oder weil die Forschungsarbeiten mit Mitteln aus einem Verteidigungsministerium kommen und zur Verschlusssache erklärt worden sind. Und genau hier möchte auch die EU-Kommission einsteigen.

Europa habe nach dem 11. September ein gesteigertes Sicherheitsbedürfnis, heißt es. Und: Bei der Zusammenarbeit der militärischen und der zivilen Forschung hapert es. Die „künstliche Teilung zwischen den beiden Forschungsarten“ müsse aufgehoben werden, fordert EU-Kommisar Erkki Liikanen. Ab 2007 soll es losgehen. Ein EU-Sicherheitsforschungsprogramm soll dann die „Lücke zwischen ziviler und militärischer Forschung“ schließen. Jährlich eine Milliarde Euro soll dafür zur Verfügung stehen, so der Vorschlag einer EU-Beratergruppe, die sich nach eigenen Angaben an dem Vorbild USA orientierte.

Zu befürchten ist, dass damit die Militarisierung der zivilen Forschung einen enormen Auftrieb bekommen wird. Welches Forschungsinstitut werde sich in Zeiten der knappen Mittel schon erlauben können, auf zusätzliche Gelder zu verzichten? Nur an den Sperrvermerken „VS-Vertraulich“ und „confidential“ darf man sich dann nicht stören. Bei der Europäischen Raumfahrbehörde ESA haben diese beiden Wörter übrigens schon Einzug gehalten. Der Bundestag verabschiedete vor kurzem ein Gesetz – ohne Gegenstimme übrigens –, das die ESA verpflichtet ein „Geheimschutzsystem“ einzurichten. WOLFGANG LÖHR