Alles ist verflossen

Mit einer Ausstellung zum feuchten Element besinnt sich Oldenburg auf seine Vergangenheit als Wasserstadt – mit ganz eigenen Freuden und Verboten

ldenburg ist eine Wasserstadt. Obwohl man so viel davon nicht mehr sieht. Denn längst sind die kleinen Bäken und Stichkanäle, auf denen man im 19. Jahrhundert noch die Angebetete mannhaft durch das Dobbenviertel rudern konnte, zugeschüttet. Und Überflutungen der Stadt, wie zuletzt 1962, verhindert heute eine Sielanlage.

Doch der Kampf um den Ausbau des heutigen Huntebades lässt keinen Zweifel aufkommen: die Oldenburger sind Wasserratten. Denn an eben dieser städtischen Badestelle an der Hunte wird seit jeher geplanscht. Von 1857 stammt der erste Bauplan für das Areal, damals noch war der Fluss natürliches Becken.

Diese und andere Dokumente der wasserverbundenen Stadtgeschichte zeigt die Ausstellung „Mit allen Wassern gewaschen“ derzeit im Oldenburger Stadtmuseum.

Photos vom legendären PSV-Schwimmbad in der Margaretenstraße, wo Frischverliebte nachts übern Zaum stiegen, um – heimlich und nackt – zu baden, Videosequenzen vom Baggersee, wo Jugendliche von Steilkanten ins Nass springen. Streng verboten das alles, aber dem Wasser kann man halt nicht widerstehen.

Und dass Wasser nicht gleich Wasser ist, zeigen vierzig verschiedene Proben in großen Milchflaschen: Aus einer Pfütze auf dem Asphalt, graugetönt, aus dem Wassergraben Höhe Dillweg, lichtgelb gefärbt.

Diese konkreten Bezüge zu tagtäglicher Lebenswelt lassen Abgetauchtes an die Oberfläche kommen: Auch in Oldenburg gab es Badehäuser, in denen die inneren und äußeren Reinigungen mit Schröpfegeln und dem wöchentlichen Bad Anlass für erotische Begegnungen waren. Dass Oldenburg im 18. Jahrhundert eine stinkende Stadt war, weil Trink- und Brauchwasser im selben Fluss schwammen, dass folglich Pest und Cholera in der heute so blitzsauberen Residenzstadt wüteten, dass nicht alle Bürger eine Brunnen besaßen und ein sorgsam gehütetes „Püttbuch“ Besitz und Entnahmerechte regelte – wie zentral also die Wasserfrage für die sich bildende Gemeindeordnung ist, hier ist es dokumentiert

Wie sehr sich öffentliche und private Sphäre auseinanderdividiert haben, kann man am Thema Hygiene verfolgen. War es im 18. Jahrhundert noch jedermanns eigene Sache, die Exkremente zu beseitigen – meist einfach über Nachbars Zaun – wird dieser Job über zunehmendes Regelwerk und gegen Gebühr an die öffentliche Hand delegiert. Damit steigt auch – wie der Oldenburger Kulturwissenschaftler Thomas Kleinspehn in der Ausstellungszeitung skizziert – die Entfremdung vom eigenen Körper über den Hygienewahn. Wo der Mist dann hinkommt, lässt sich über eine Videofahrt durch das Rohrsystem der Stadt sowie verschiedenste Modelle und Installationen des Oldenburger Klärwerkes prima verfolgen.

Es ist die Stärke dieser Ausstellung, dass sie über solch konkrete Zugänge und ganz ohne erhobenen Zeigefinger den Bogen spannt von der existenziellen Bedeutung des Wassers als der Lebensressource schlechthin zu seiner kulturhistorischen Bedeutung.

Wasser, das Weibliche, Psychische, das Meer, die Vernichtung, das sind die Themen zahlreicher Gemälde etwa von Franz Radziwill und etlichen lokalen Künstlern. Wasser als Folie für Kompositionen von SchülerInnen der Oldenbuger Liebfrauenschule. Am aufgestellten Computer abrufbar, eine an Débussy erinnernde, aber expressionistisch angehauchte Komposition zu Monets „Seerosen“. Und auch im Rahmenprogramm ist der schlichte Dipol H2O Leitmotiv von Lesungen, Tanzdarbietungen und Konzerten.

Marijke Gerwin

Bis zum 24. August im Stadtmuseum Oldenburg. Rahmenprogramm und weitere Infos sind abrufbar unter: www.stadt-oldenburg.de