Sanges-Schwestern unter sich

„Da capo al dente“ ist einer der wenigen lesbisch-schwulen Chöre in Deutschland. Die Bremer und Bremerinnen singen alles, was Töne hat. Die Texte werden gelegentlich auf „homo“ umgedichtet und den Tenor übernehmen auch mal Frauen

Es gibt vier Tenörinnen – eigentlich singen das nur Männer.

taz ■ Ob Udo Jürgens mal ein Ohr reingehängt hat in die regenbogenfarbene Cover-Version seines Gastarbeiter-Gassenhauers „Griechischer Wein“ ist nicht bekannt. „Ich bin allein – die Ballade eines einsamen Homosexuellen“ hieß das gute Stück, umgedichtet von „Da capo al dente“, dem einzigen lesbisch-schwulen Chor in Bremen und weit darüber hinaus. 42 Freizeit-Sänger und -Sängerinnen aller Altersklassen proben einmal wöchentlich – und das seit sechs Jahren.

Das Besondere an „Da capo al dente“: Er ist einer der wenigen „gemischten“ Chöre in Deutschland. „Die meistens sind entweder schwul oder lesbisch“, so der „Da Capo“-Gründer Jürgen Schulenberg. Zum Beispiel der Männcherchor „RosaKehlchen“ aus Heidelberg oder Münchens „LilaMunde LesbenVocal“.

Schulenberg sang früher selbst beim Schwulenchor „Bremer Stadtschmusetanten“, bis er Mitte der Neunziger in New York ein Aha-Erlebnis hatte. „Während der Homo-Olympiade ‚Gay-Games‘ habe ich in einem international besetzten lesbisch-schwulen Chor bei der Eröffnungsfeier gesungen – vor 50.000 Menschen.“ Der Auftritt begeisterte Schulenberg so sehr, dass er beschloss, das Konzept nach Bremen zu importieren. Im Sportverein „Wärmer Bremen“, in Szenemagazinen und im Bekanntenkreis suchte und fand der heute 47-jährige Bankkaufmann musikbegeisterte MitstreiterInnen.

Ein Singverein wie jeder gemischtgeschlechtliche Hetenchor sind die Dacapos aber nicht. Vier Frauen brummeln den Tenor – eigentlich eine Stimmlage für Männer. Unterschiede gebe es auch in der Art des Umgangs miteinander, glaubt Andrea Wittenberg, ebenfalls schon seit den Anfangstagen dabei. „Bei uns geht es sehr viel basisdemokratischer zu als in anderen Chören“, sagt sie. In der Gruppe werde häufig diskutiert, über das Repertoire und die Show beratschlagt. „Da werden Kleinigkeiten manchmal endlos zerredet“, findet die 40-jährige Pflegedienstleiterin. Trotzdem macht ihr der Chor großen Spaß: „Ich habe den ganzen Tag über mit Heterosexuellen zu tun. Da ist es angenehm, einmal in der Woche etwas mit Gleichgesinnten zu unternehmen.“ Doch die Sangesbrüder und -schwestern wollen sich nicht abschotten. Die letzte Chorleiterin war hetero. „Bei neuen Mitgliedern fragen wir auch nicht, worauf sie stehen“, sagt Chorgründer Schulenberg.

„Gemischt“ wie die Leute ist auch das Repertoire von „Da capo al dente“: Alte Chormusik und romantische Stücke von Carl Orff oder Richard Strauss gehören bei den Bremern ebenso zum Programm wie Abbas „Thank you for the music“ oder der Musical-Hit „The lion sleeps tonight“. Daneben stehen alle möglichen Traditionals und Folk-Songs aus vielen verschiedenen Regionen der Welt auf dem Spielplan, darunter Lieder aus Afrika, Südamerika und Irland. „Manchmal versuchen wir auch, die Stücke so umzutexten, dass ein schwuler oder lesbischer Aspekt dazukommt“, sagt Jürgen Schulenberg – so geschehen bei Udo Jürgens „Griechischer Wein“. Auch wenn die Dacapos das Stück mittlerweile aus dem Repertoir genommen haben – die Fangemeinde der lesbisch-schwulen Sangeskunst wächst. Das Konzert am vergangenen Wochenende im Modernes war ausverkauft.

„Bei neuen Mitgliedern fragen wir auch nicht, worauf sie stehen“

Torben Waleczek