Wieder unliebsam

Eine Wissenschaftlerin reformiert das spanische Staatsfernsehen, das die Reform auch bitter nötig hat

Sähe das Programm von ARD und ZDF so aus wie beim spanischen staatlichen Radio und Fernsehen RTVE, wäre wohl niemand bereit, dafür noch Gebühren zu zahlen. Insbesondere der Fernsehsender TVE befindet sich im Sog der telebasura – so nennen die Spanier das Klatsch- und Reality-Show-Fernsehen. Dokumentarfilme, Kino oder gute Serien gibt es, wenn überhaupt, nur noch nach Mitternacht.

Doch das ist bei weitem nicht der einzige Grund, warum TVE am Tiefpunkt seiner Glaubwürdigkeit angelangt ist. Nach dem Ende der Diktatur entdeckten auch die demokratischen Regierungen schnell, dass Funk und Fernsehen ein geeignetes Instrument zur Manipulation sind. Unter dem Sozialisten Felipe González (1982–1996) wurden immer wieder Korruptionsskandale und die Ermittlungen im schmutzigen Krieg gegen ETA verheimlicht. Inhaftierte Politiker durften in den Abendnachrichten live aus der Zelle ihre vermeintliche Ehre verteidigen.

Unter der konservativen Regierung Aznar wurde das Unglück des Tankers „Prestige“ kleingeredet. Und schließlich verurteilte der oberste spanische Gerichtshof die Nachrichtenredaktion sogar dazu, eine Erklärung zu verlesen, in der festgehalten wurde, dass TVE die Nachrichten über einen erfolgreichen Generalstreik manipuliert hatte.

Insofern ist der Erwartungsdruck, der auf Carmen Caffarel liegt, groß. Die Doktorin der Kommunikationswissenschaften wurde vor zwei Wochen von der neuen spanischen Regierung unter dem Sozialisten José Luis Rodriguez Zapatero zur Generaldirektorin von RTVE ernannt – und soll die Anstalt von Grund auf umkrempeln. Neun Monate hat die 50-jährige Caffarel dafür Zeit. Dann soll im Parlament ein neues Statut für die Anstalt verabschiedet werden, das derzeit von einem „Rat der Weisen“, bestehend aus renommierten Wissenschaftlern, ausgearbeitet wird. Am Ende des Reformprozesses wird dann ein neuer Generaldirektor bestimmt. Erstmals in der Geschichte des Landes vom Parlament und nicht von der Regierung.

Caffarel setzt auf Pluralismus. „Ein Weg ohne Umkehr“ und „eine moralische, ethische, kulturelle und demokratische Erneuerung“ verspricht sie den gequälten Zuschauern. In einem ersten Schritt besetzte Caffarel die Führungsriege neu – mit guten Journalisten aus dem eigenen Haus. Und mit Erfolg, wie ein Blick auf die Nachrichten- und verbliebenen Magazinsendungen zeigt: Statt bloß die Regierungspolitik abzufeiern, werden endlich auch wieder unliebsame Themen behandelt. REINER WANDLER