Vorgezogene Steuersenkung verleiht Flügel

Bundeskanzler Schröder will „kreativ“ über eine Vorverlegung der dritten Stufe der Steuerreform nachdenken

BERLIN taz ■ Bundeskanzler Gerhard Schröder hat erneut seine Bereitschaft signalisiert, die dritte Stufe der Steuerreform auf nächstes Jahr vorzuziehen. Voraussetzungen dafür sind nach Angaben von Regierungssprecher Béla Anda die Umsetzung der Agenda 2010 sowie ein dazu passender Bundeshaushalt. „Wenn dann noch Luft und Raum ist, ist der Bundeskanzler bereit, über diese Möglichkeit kreativ nachzudenken“, sagte Anda am Donnerstag im Anschluss an ein Spitzengespräch der rot-grünen Koalition im Bundeskanzleramt.

Bei dem vertraulichen Treffen legten die Koalitionäre die Leitlinien für den Bundeshaushalt 2004 fest. Finanzminister Hans Eichel informierte die Runde über den Stand der Beratungen. Das Kabinett wird am 2. Juli über den Haushaltsplan beschließen. Bis dahin muss Eichel mit seinen Ministerkollegen noch über Einsparungen von rund 15 Milliarden Euro verhandeln.

Ein Vorziehen der Steuerreform würde schätzungsweise weitere 9 Milliarden Euro an Steuerausfällen mit sich bringen. Der Finanzminister besteht daher auf einer entsprechenden Kürzung von Steuervergünstigungen und Subventionen. Die Bündnisgrünen wollen in diesem Zusammenhang die Unterstützungszahlungen für die Steinkohleindustrie bis zum Jahr 2010 auf null reduzieren sowie die Kilometerpauschale und die Steuerfreiheit für Sonn- und Feiertagszuschläge abschaffen. Auch der SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider sprach sich dafür aus, diese Vergünstigungen mittelfristig zu beseitigen: „Es gibt keinen Grund, warum es von Staat subventioniert wird, möglichst weit von der Arbeitsstelle entfernt zu wohnen.“ Auch Sonn- und Feiertagszuschläge seien nicht Sache des Staates.

In den Ländern gibt es gegen die Überlegungen in Regierungskreisen bisher noch erheblichen Widerstand. Ein Vorziehen der Reform, der die Länder zustimmen müssen, würde allein in Brandenburg nach Einschätzung der brandenburgischen Finanzministerin Dagmar Ziegler (SPD) für Steuerausfälle von 260 Millionen Euro sorgen. Diese Summe könne nicht allein durch Ausgabensenkungen aufgefangen werden, warnte Ziegler.

Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) sieht dagegen in einer Vorverlegung der eigentlich erst für 2005 geplanten Steuersenkungen einen „Schub für die Konjunktur“, der endlich „Wind unter die Flügel“ bringen würde. Bei einer vorgezogenen Steuerreform würde der Spitzensteuersatz 2004 von derzeit 48,5 Prozent auf 42 Prozent sinken. Der Eingangssteuersatz fiele von 19,9 auf 15 Prozent. Ein Einpersonenhaushalt mit einem Jahreseinkommen von 30.000 Euro würde dadurch laut dem Bund der Steuerzahler um 611 Euro jährlich entlastet.

ANDREAS SPANNBAUER