Orthopäden werden bissig

Kiefer-Klempner sorgen mit einem Patienten-Briefen für gesundheitspolitischen Krach. Ist Niedersachsen medizinisch noch ordentlich versorgt?

Hannover taz ■ Zuerst gaben sie aus Protest ihre Zulassung zurück, jetzt werden die 43 Kieferorthopäden aus den Regionen Cuxhaven und Hildesheim noch bissiger. Gestern wurde bekannt, dass sie sich mit Briefen an ihre Patienten wandten, in denen sie um Verständnis für die Rückgabe der Zulassung werben. Seit InKraft-Treten der Gesundheitsreform am 1. Januar gelten für die Kiefer-Klempner geringere Honorarsätze. Damit könnten sie kaum kostendeckend arbeiten. Dem Schreiben legten die Ärzte ein Formular bei, mit dem die Patienten bei ihrer Krankenkasse eine Kostenübernahme für Behandlungen verlangen sollen.

Während die Patienten immer unsicherer werden, warfen die Kassen den Ärzten gestern vor, diese drängten Versicherte in die Kostenerstattung und damit zu teuren Privatabrechnungen. Ein AOK-Sprecher sieht in dem Patienten-Brief eine „arglistige Täuschung der Patienten.“ Man wolle nicht mehr „mit denen zusammen arbeiten“, sagte der Sprecher des Ersatzkassenverbandes VdAK in Hannover. In dem Formular, dass die Patienten an ihre Kasse schicken sollen, heißt es, es sei kein gleichwertiger Behandlungsplatz in zumutbarer Entfernung verfügbar. Daher sei eine Fortsetzung der Behandlung „unerlässlich und unaufschiebbar“.

Indessen wartet Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) auf die Prüfung der Kassen, ob auch ohne die aufständischen Orthopäden die Versorgung noch gewährleistet ist. In Niedersachsen gibt es 245 Kieferorthopäden. Den Vorschlag der Sozialministerin, Orthopäden aus Tschechien oder Polen nach Niedersachsen zu holen – seit deren EU-Beitritt ist das möglich – sei nur eine „Option für den äußersten Notfall“, sagte ein Sprecher.

Auch der Sprecher der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KZVN), Julius Beischer, löste Empörung aus. In seiner Funktion als Landeschef des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte in Niedersachsen schrieb er an die Kieferorthopäden, er wolle sie ermutigen, ihre Kassenzulassung auch zurückzugeben und so die gesetzliche Krankenversicherung zu verlassen. Damit handle der Sprecher der KZVN gegen deren Auftrag, die Versorgung der Kassenpatienten sicherzustellen, kritisierten die Krankenkassen. ksc