WTO-Verhandlungen blockiert

Die anhaltende Weigerung von EU und USA zur substanziellen Reform ihrer Agrarpolitik könnte zum Scheitern der Ministerkonferenz in Cancun führen. Dreitägiges Symposium macht Widerstand der Länder des Südens deutlich

aus Genf ANDREAS ZUMACH

Bei den Verhandlungen der so genannten Doha-Runde der Welthandelsorganisation (WTO) ist knapp drei Monate vor der nächsten WTO-Ministerkonferenz im mexikanischen Cancun bei keinem Themenbereich eine Einigung in Sicht. Ein Scheitern der Verhandlungen war die häufigste Prognose bei einem Symposium zu den „Herausforderungen auf dem Weg nach Cancun“, das die WTO diese Woche in ihrer Genfer Zentrale veranstaltete. Teilnehmer: Regierungsvertreter, Gewerkschaften, Lobbyisten und WTO-kritische Nichtregierungsorganisationen (NRO). In Doha hatten die Minister der 144 WTO-Staaten die laufende Verhandlungsrunde ausdrücklich zur „Entwicklungsrunde“ erklärt und beschlossen, „handelsverzerrende Unterstützungen auf den Binnenmärkten substanziell abzubauen“.

In deutlichem Kontrast zu diesen Vorgaben steht die anhaltende Weigerung der EU – in zweiter Linie der USA –, ihre produktionssteigerenden staatlichen Beihilfen und dumpingfördernden Exportsubventionen im Agrarbereich deutlich zu reduzieren und landwirtschaftlichen Erzeugnissen aus den Ländern des Südens einen verbesserten Marktzugang zu gewähren. Diese Weigerung ist – wie bei fast allen anderen Verhandlungsrunden zur „Liberalisierung“ des Welthandels seit 1986 – erneut die Hauptblockade.

Zumal derartige Beihilfen und Subventionen im Jahr 2002 in fast allen Industriestaaten sogar noch angestiegen sind, wie die OECD ihren Mitgliedern in einer gerade veröffentlichten Studie vorrechnete. Die Reformvorschläge, die EU-Agrarkommissar Franz Fischler hierzu vorgelegt hatte, wurden auf dem Genfer Symposium von Vertretern afrikanischer, lateinamerikanischer und asiatischer Staaten sowie von den NRO als „kleiner, aber völlig unzureichender Schritt in die richtige Richtung“ bewertet.

Mittlerweile hat der Brüsseler Agrarministerrat diese moderaten Reformvorschläge verwässert, am Wochenende werden sie wahrscheinlich so vom EU-Gipfel in Thessaloniki abgesegnet. Damit dürften die Chancen auf eine Einigung im WTO-Rahmen noch weiter gegen null sinken. Auch die USA geraten immer stärker in die Kritik vor allem Baumwolle produzierender Länder Afrikas und Asiens, die ihre Märkte unter dem Druck der Weltbank und des IWF geöffnet, staatliche Beihilfen abgebaut haben und deren arme, aber effiziente Baumwollfarmen jetzt durch nach wie vor hochsubventionierte Exporte der USA ruiniert werden.

Die Länder des Südens sind mehr denn je vor einer WTO-Ministerkonferenz entschlossen, in Cancun ihre Zustimmung zur Aufnahme von Verhandlungen über neue Themen zu verweigern, sollten die EU und die USA sich im Agrarbereich nicht noch erheblich bewegen. Die letzte Ministerkonferenz im November 2001 in Doha hatte beschlossen, dass in Cancun der Startschuss für Verhandlungen über Investitionen, Wettbewerbsregeln und das Beschaffungswesen erfolgen soll. An einer „Liberalisierung“ dieser Wirtschaftsbereiche haben in erster Linie die vier größten und mächtigsten WTO-Mitglieder USA, EU, Japan und Kanada ein Interesse.

Erheblich belastet wird das Verhandlungsklima vor Cancun auch, weil die Umsetzung der am härtesten umkämpften und für viele Länder des Südens wichtigsten Entscheidung der Doha-Konferenz von den USA nach wie vor blockiert wird. In Doha wurde beschlossen, dass der Zugang zu billigeren Medikamenten gegen Aids, Malaria, Cholera, anderer epidemischer Krankheiten und die Funktionstüchtigkeit öffentlicher Gesundheitssysteme Vorrang haben vor dem Patentschutz großer Pharmakonzerne.