Schlechtes Standing für Ver.di-Chef Bsirske

Auf der Lufthansa-Hauptversammlung wird Gewerkschafter als Aufsichtsrats-Vizechef nicht entlastet

KÖLN taz ■ Als „Volksverhetzer“ wurde er beschimpft, er sei „seiner Aufgabe nicht gewachsen“, solle „nach Hause gehen“. Für Frank Bsirske kam es auf der gestrigen Jahreshauptversammlung der Lufthansa in Köln knüppeldick. Denn es blieb nicht bei der verbalen Abstrafung: Bei der extra beantragten Einzelabstimmung über die einzelnen Mitglieder des Aufsichtsrats wurde der stellvertretende Vorsitzende nicht entlastet. Nur 41,71 Prozent der abgegebenen Stimmen lautete auf „Ja“. Juristisch ändert das nichts an Bsirskes Mandat, es setzt ihn jedoch moralisch unter Druck, über einen Rücktritt nachzudenken.

Als gleichzeitiger Vorsitzender der Vereinten Dienstleistungsgesellschaft Ver.di hatte Bsirske im Dezember 2002 zu Warnstreiks im öffentlichen Dienst aufgerufen. Durch Arbeitsniederlegungen an Flughäfen sollen der Lufthansa dabei Schäden von mehreren Millionen Euro entstanden sein.

Besonders rosig sieht es ohnehin nicht aus. Irakkrieg, steigende Konkurrenz durch die neuen Billigflieger und zuletzt die Lungenkrankheit Sars haben den Konzern in eine seiner schwersten Krisen gestürzt. Zu Jahresbeginn rutschte das operative Ergebnis mit 415 Millionen Euro ins Minus. Passagierzahlen auf Flügen Richtung Asien sanken um 25 Prozent, 68 Jets sind auf europäischen Flughäfen für unbestimmte Zeit geparkt.

Doch die Talsohle sei durchschritten, verkündete Noch-Vorstandsvorsitzender Jürgen Weber – 0,1 Prozent mehr Fluggäste im Mai ließen hoffen. Der 61-Jährige, der als cleverer Krisenmanager gilt und das Unternehmen Lufthansa in den 90er-Jahren privatisiert hatte, übergab sein Amt nach der gestrigen Jahreshauptversammlung an den langjährigen Kollegen Wolfgang Mayrhuber.

Aber weder die schlechte Wirtschaftsprognose noch die mickrige Dividende von 0,6 Prozent oder der Chefwechsel erhitzten die Gemüter so sehr wie der „Fall Bsirske“. Dem Gewerkschafter nützte es wenig, dass er bereits seit vergangenem Jahr dagegen protestiert, dass die Tantiemen der Aufsichtsratsmitglieder künftig auf 20.000 Euro verdoppelt werden sollen, während die Angestellten des Unternehmens 7 Prozent Gehaltskürzungen hinnehmen mussten. Im Gegenteil: Der Protest brüskierte offenbar nicht nur den restlichen Aufsichtsrat, er wurde auch nur von den wenigen Anlegern unterstützt. Die Kritik jedenfalls fiel moderat aus.

Fast unisono hatten die Aktionäre dagegen in Wortmeldungen die „Nichtentlastung“ des Vizeaufsichtsratsvorsitzenden oder gar seinen Rücktritt gefordert. „Treiben Sie Ihr persönliches Machtspiel woanders“, fauchte der Vorsitzende des Vereins Institutioneller Privatanleger Hans-Martin Buhlmann unter großem Applaus. Gute Arbeit müsse nun mal ordentlich bezahlt werden. Lediglich Henry Matthews, Sprecher des Verbands „Kritische Aktionäre“, hatte erklärt, es sei das „Wesen der Mitbestimmung“, dass auch Gewerkschafter im Aufsichtsrat eines Unternehmens sitzen, Warnstreiks seien dabei „völlig legitime“ Mittel. Sein Einwand ging in lautstarken Buhrufen und Pfiffen unter. Weiterhin forderte Matthews, die anstehende Neuwahl des Aufsichtsrats zu boykottieren. Er wies darauf hin, dass die zur Wahl stehenden Vertreter ausschließlich „Herren aus der deutschen Großindustrie“ seien, die sich „unter dem Deckmantel des Corporate Government Codex“ gegenseitig kontrollierten und unterstützten. NINA MAGOLEY