Der 1. Mai war (k)ein Beinbruch

Nach dem rüden Vorgehen der Polizei gegen die Gegner der NPD-Demo kündigen PDS-Politiker rechtliche Schritte gegen die Polizei an. Opposition lobt indes Innensenator Körting und die Polizei

von WIBKE BERGEMANN
und THORSTEN DENKLER

Der Polizeikessel, in dem am Samstagnachmittag in Lichtenberg mindestens 150 Gegendemonstranten zur NPD-Kundgebung festgehalten wurden, könnte ein Nachspiel haben. Von dem rüden Vorgehen der Polizei gegen die NPD-Gegner waren auch mehrere PDS-Politiker betroffen. Der Friedrichshainer Abgeordnete Freke Over stellte bereits Strafanzeige wegen Körperverletzung im Amt, Freiheitsberaubung und Sachbeschädigung. Der stellvertretende Lichtenberger Bezirksverbandsvorsitzende Michael Stadler (PDS) überlegt einen ähnlichen Schritt. Dem 53-Jährigen wurde bei seiner Festnahme das Knie gebrochen.

Die Demonstration gegen einen NPD-Aufmarsch auf der Frankfurter Allee war zunächst friedlich verlaufen. „Die Atmosphäre war entspannt, die Polizisten nahmen sogar ihre Helme ab“, berichtet Stadler. Als die Gegendemonstranten sich weigerten, die S-Bahn-Brücke zu räumen, wurden ungefähr 150 Protestierer von der Polizei eingekesselt. „Da wurden viele PDS-Mitglieder, die 65 und noch älter sind, über fünf Stunden festgehalten“, sagt die PDS-Bundestagsabgeordnete Gesine Lötzsch. Sie gehörte zu den Eingeschlossenen. Völlig unverhältnismäßig sei, dass die Gegendemonstranten erst frei gelassen wurden, als die NPD ein zweites Mal vorbeigezogen war, so Lötzsch.

Augenzeugen berichten, dass immer wieder einzelne Demonstranten aus der friedlichen Menge heraus festgenommen worden seien. Darunter der PDS-Politiker Stadler. „Ich trug ein Schild mit dem Spruch: ‚Keine Naziaufmärsche in Lichtenberg!‘ So bin ich denen aufgefallen“, glaubt Stadler. Er sei rüde aus dem Kessel geholt und bäuchlings zu Boden geworfen worden. Dabei sei seine Kniescheibe gebrochen worden.

Wie Stadler wurde der Friedrichshainer Abgeordnete Freke Over innerhalb des Kessels attackiert. Ein Beamter habe ihm das Ohr verdreht, so dass es blutig eingerissen sei. Ein anderer Beamter habe gegen sein Fahrrad getreten und dabei Schutzbleche und Schaltung zerstört. Der Beamte habe eine verspiegelte Sonnenbrille unter dem Helm getragen. Andere Polizisten hätten sogar Motorradmasken unter dem Helm aufgehabt. Der Beamte gab auch auf Nachfrage seine Dienstnummer nicht bekannt, sagt Over. Er erstattete seine Anzeige mit Hilfe der Helmkennung.

Der Polizeieinsatz wird indes von Politikern aller Parteien als positiv bewertet. Innensenator Erhardt Körting (SPD) sieht das „Gewaltritual durchbrochen“. Die Polizei habe „etliche Joker“ ziehen können, damit Gewalt nicht erst entstehen könne, sagte er. Dazu zählt der Senator das Parkverbot in Kreuzberg oder das Flaschenverbot im Mauerpark.

Frank Henkel, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, sagte der taz, der Einsatz habe gezeigt, dass „mehr Polizei auch mehr Sicherheit bedeutet“. Körting habe aus seinen Fehlern gelernt. Die Polizisten lobte er für ihr konsequentes und hartes Eingreifen einerseits und ihre Besonnenheit andererseits.

Henkels Sprecher-Kollege Alexander Ritzmann von der FDP-Fraktion hält Siegesjubel trotz der Erfolge für verfrüht. Nur wenn es Polizei, Justiz und Bürgern gelänge, den „Chaoten auf Dauer den Spaß zu verderben“, werde es zukünftig eine Chance für einen friedlichen 1. Mai geben, sagte er.

Der Vizechef der Polizeigewerkschaft GdP, Detlef Rieffenstahl, warnte davor, die Gewalt zu verharmlosen. Es seien 250 Polizisten verletzt worden. Weil der Senat „kein Konzept“ habe, der Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft zu begegnen, werde dies allein mit Mitteln der Polizei und Justiz versucht. Dies sei eine „fatale Entwicklung“.