Liberias Waffen sollen schweigen

Regierung und Rebellen vereinbaren sofortiges Ende der Kämpfe und Bildung einer Übergangsregierung in 30 Tagen. Der umstrittene Präsident Charles Taylor soll ihr nicht mehr angehören. Hoffen auf US-Eingreifen zur Überwachung des Friedens

von DOMINIC JOHNSON

Der Krieg in Liberia soll enden und das Regime von Präsident Charles Taylor auch. Das ist die Substanz des Waffenstillstandsabkommens für das westafrikanische Bürgerkriegsland, das Regierung und Rebellen am Dienstag in Ghana unterzeichneten. Dem Abkommen zufolge sollten die Kämpfe in Liberia gestern um eine Minute nach Mitternacht zu Ende gehen, und innerhalb von 30 Tagen soll ein umfassendes Friedensabkommen entstehen. Vorgesehen ist darin „die Bildung einer Übergangsregierung, die den gegenwärtigen Präsidenten nicht einschließt“.

Die Nachricht vom Waffenstillstand führte zu Freudenfeiern in Liberias Hauptstadt Monrovia, die in den vergangenen Wochen von schweren Kämpfen zwischen Taylors Regierungsarmee und den Rebellen der Lurd (Vereinigte Liberianer für Versöhnung und Demokratie) zu Teilen verwüstet worden war. Jubelnde Bürger hissten weiße Fahnen auf Autos und Bussen und kurvten durch die Straßen.

Weil aber schriftliche Einigungen zwischen Bürgerkriegsparteien in Liberia erfahrungsgemäß nicht automatisch zum Frieden führen, hängt nun alles davon ab, wer die Umsetzung des Abkommens garantiert. Laut Abkommen sollen Regierungsarmee, Lurd und die ostliberianische Rebellengruppe Model (Bewegung für Demokratie in Liberia) innerhalb von 72 Stunden ihre militärischen Stellungen einem Verifizierungsteam der westafrikanischen Regionalorganisation Ecowas (Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft) mitteilen. Das Team legt dann eine Waffenstillstandslinie fest. Die muss überwacht werden. „Die Parteien sind sich einig, dass es notwendig ist, eine internationale Stabilisierungstruppe zu schaffen und zu stationieren“, steht dazu im Abkommenstext.

Ecowas-Generalsekretär Mohammed Chambas sagte, die Ecowas werde dazu Südafrika um Hilfe bitten. Auch Soldaten aus den USA seien willkommen. Seit Jahren kursiert in Westafrika die Hoffnung, die USA – die Liberia im 19. Jahrhundert als Protektorat für freigelassene schwarze Sklaven gegründet hatten – könnten bei einer Friedensmission die militärische Führungsrolle spielen, so wie Großbritannien in Sierra Leone und Frankreich in der Elfenbeinküste.

Große Erwartungen hat daher die Entsendung eines US-Kriegsschiffes vor die Küste Liberias geweckt. Die „USS Kearsarge“, eigentlich auf dem Heimweg aus dem Irak, wurde am 12. Juni mitsamt ihren 2.000 Marines, 1.200 Besatzungsmitgliedern und den Bauch voller Kampfhubschrauber Richtung Liberia beordert. Begründet wurde dies mit der eventuellen Notwendigkeit, US-Bürger zu evakuieren. Französische Truppen hatten zuvor mehrere hundert Ausländer aus Monrovia herausgebracht.

Der Erzbischof von Monrovia, Michael Francis, sagte am Montag, ein Eingreifen in Liberia sei für die USA eine „moralische Pflicht“. Der britische Liberia-Spezialist Stephen Ellis sagte gestern, bei den USA sei keine erhöhte Bereitschaft zum Engagement in Liberia zu erkennen – außer bei Kräften im Pentagon, die Taylor auf jeden Fall stürzen wollten. Liberias Präsident wird von verschiedenen US-Organisationen mit al-Qaida in Verbindung gebracht. Ein US-Engagement in Liberia dürfte also davon abhängen, ob die jetzt in Aussicht gestellte Entmachtung Taylors tatsächlich eintritt.

Das hängt nun von der Liberia-Friedenskonferenz in Ghana ab. Die war am 4. Juni eröffnet worden und sofort geplatzt, weil das UN-Kriegsverbrechertribunal in Sierra Leone zeitgleich Haftbefehl gegen Taylor erließ und dieser daraufhin wieder nach Hause flog. Vor dem neuen Waffenstillstandsabkommen machte Taylor seinen Rücktritt von der Rücknahme des Haftbefehls abhängig. Jetzt nannte sein Sprecher die politischen Passagen des Waffenstillstandsabkommens lediglich „Forderungen“, die „verhandelt werden müssen“.

Zivile Organisationen in Monrovia verlangen nun, den Waffenstillstand von den Verhandlungen um Taylors Zukunft abzukoppeln, damit die Kriegsparteien Streit um den Präsidenten nicht als Vorwand für neue Kämpfe nutzen können. Gestern warfen Rebellen der Regierungsarmee bereits vor, den Waffenstillstand zu brechen, und drohten mit „Selbstverteidigung“.