press-schlag
: Zwischen Spaßprogramm und Publikumsbeschimpfung

Der fußballerische Alltag in der sich dem Ende zuneigenden Bundesligasaison heilt sogar die seelischen Blessuren des blauen Wunders von Bukarest

Am Tag der Arbeit gingen sie wieder ihrer hoch bezahlten nach, so als wäre nichts geschehen an jenem düsteren Mittwoch in Bukarest, der Hauptstadt eines Landes, das weder für die EM qualifiziert, noch über Nacht in die EU aufgenommen wurde. Sie spielten wieder Fußball, in der deutschen Bundesliga, die Herren Nationalspieler, untereinander und gegen ähnlich Begabte, was den Vorteil hatte, das die Ramelows und Jeremiese nicht zwangsläufig wieder als Verlierer vom Feld schleichen mussten. Und hunderttausende Abhängige sahen ihnen bei ihrem Gerumpel zu, denn so ist das im Freizeitpark Deutschland: Alle jammern, allen geht’s schlecht, aber alle wollen dabei sein und mitreden.

Und war der Fußball nicht schon immer ein Spiegelbild der Gesellschaft? Das viel zitierte „Wunder von Bern“ gilt selbst unter Nichtsportlern als Parabel für wiedererlangtes Selbstwertgefühl nach dem Zweiten Weltkrieg. Der spektakulärste deutsche Fußball rollte freilich während der Willy-Brandt-Ära: „Mehr Demokratie wagen“, korrespondierte vortrefflich mit der attraktiven München-Gladbacher Spielweise.

„Wichtig ist, was hinten raus kommt“ wiederum zitierte trefflich die bleierne Kohl-Zeit, entsprechend bolzte eine Truppe aus Vorstoppern und Außenverteidigern in den 80er-Jahren. Eine kurze Phase der Leichtigkeit und Lebensfreude ermöglichte den wiedervereinigten Deutschen dann ihren WM-Triumph 1990 unter Oberlibero Franz Beckenbauer. Seitdem taumelt die narzisstische Nation zwischen Höhen und Tiefen auf der Suche nach ihrer Mitte – und ihrer Mannschaftsaufstellung.

Aktuell sucht Teamchef Völler – wie Kanzler Schröder – seine Linie zwischen Spaßprogramm und Publikumsbeschimpfung, steht allerdings zu seinen grauen Haaren. Das allgemeine Hangeln nach Konzepten wird von Dosenpfandspielen und Island-Unentschieden, Mautdebakeln und 1:5-Niederlagen flankiert. Hier wie dort ist das Personal den flexiblen Anforderungen der globalen Spielfelder nicht mehr gewachsen und wird zusätzlich genervt vom überalterten Publikum, das sich an der Vergangenheit orientiert und von der Galerie stänkert.

Wenigstens gibt es in der Bundesliga hin und wieder Lichtblicke, auch wenn ein Podolski noch lange keinen Kölner Klassenerhalt macht. Gelegentlich kommt sogar Spielkultur auf, wie an diesem torreichen Tag der Arbeit in Bremen oder Dortmund. Das ist dann aber auch kein Wunder, schließlich haben die Baumanns und Kehls ausreichend nichtdeutsche Mitspieler zur Seite.

ACHIM DREIS