Trainer gegen alle Konventionen

Torsten Daume wollte eigentlich nie Trainer werden. Jetzt ist er mit seinem Team Schwelmer Baskets in die Basketball-Bundesliga aufgestiegen. Die unwirkliche Erfolgsgeschichte wird fortgesetzt

AUS SCHWELM KAJO FRITZ JUN.

Der große Sport ist in Schwelm angekommen. Das merkt man unter anderem daran, dass nun schon vor dem Spiel fröhlich neben die Halle uriniert wird. Hauptschuld an der überbordenden Freude der Baskets-Anhänger trägt ein Mann. Der heißt Torsten Daume, Trainer wider Willen, und dessen Mannschaft zählt ab sofort zu den besten 16 Basketball-Klubs Deutschlands. Ein Charakterkopf betritt die nationale Sport-Bühne.

17 Sekunden vor Schluss gestikulierte seine linke Hand – unbewusst, fremdgesteuert. Die aufmüpfige Extremität forderte eine Angriffstaktik, Daumes Restkörper aber freute sich schon auf die Aufstiegs-Feier, auf das finale Schulterklopfen, auf die Tatsache, dass er nach vier Jahren Arbeit tatsächlich aus einer No-Name-Truppe in der Regionalliga einen Erstligisten geschmiedet hat. Der 33-Jährige ist nunmehr Vollbluttrainer, da kann eine derlei unnötige Reflexbewegung passieren. „Aber eigentlich“, sagt Daume, „eigentlich war mein Lebenstraum nie, Coach zu werden. Das klappt aber ganz gut.“ Als Manager hat er den Posten übernommen. Dabei blieb es.

Es stimmte alles an dem Abend, an dem die Schwelmer Baskets zum Saisonabschluss ihren letzten Sieg mit ihrem Wuppertaler Coach in Wuppertal feierten. Dort, wo das Team seit dieser Spielzeit in der Unihalle gewinnt, spielten sie ihren Nachbarn Hagen an die Wand. Und protokollierten beim 92:73 gegen die Rudimente der einstigen Erstligastadt eindrucksvoll die Wachablösung in Westfalen. 3.000 Fans bejubelten ihre „Blau-Gelben“ frenetisch – wenn man so will, war jeder zehnte Schwelmer Bürger in der Halle. Sogar das Fernsehen war ein bisschen da. „Der Torsten ist das Sinnbild für unseren sportlichen Erfolg“, formuliert es Baskets-Manager Lars Mittelmann. Und vergaß, dass Daume bis zuletzt auch alles weitere in seinem verträumten Basketball-Kleinod an der Schwelme besorgte. Ein coachender Funktionär, eine eierlegende Wollmilchsau mit Basketballspleen.

Normalerweise eine Konstellation zum Scheitern. „Er war einer der ersten, der eine Playoff-Regelung für die zweite Liga forderte, einer, der immer die unangenehmsten Fragen stellte“, heißt es in Fachkreisen. Im Schnelldurchlauf hat sich der Mann ohne Frisur einen professionellen Ruf erarbeitet. Obschon seine Trainer-Vita denkbar kurz ist. Stationen: Schwelm. Der zweite Aufstieg in vier Jahren. Ruhig, besonnen, kein HB-Männchen an der Linie, eher der nette Wuppertaler von nebenan mit leicht erröteten Ohren.

„Anfangs habe ich überhaupt nicht verstanden, was er von mir wollte. Jetzt weiß ich es, und er wird immer besser“, sagte Schwelms amerikanischer Sieggarant Antwine Williams nach dem Spiel mit einer Pappkrone auf dem Kopf. Er will bleiben, wie der große Rest des Teams bleiben soll. „Wir werden keinen radikalen Schnitt machen“, meint Daume. Ein, zwei Verstärkungen sind geplant. Viele unken, dass das im Retortenklub-Umfeld der Basketball-Bundesliga nicht reichen wird. Daume: „Wir haben die beste Verteidigung der zweiten Liga, sind spielstark. Dieser kontinuierliche Weg wird beibehalten.“ Fachblätter werden zur nächsten Saison jedenfalls Schwelm als Abstiegskandidat Nummer eins handeln.

Das sieht Manager Mittelmann anders. „Wir wollen mit dem Abstieg nichts zu tun haben, man muss sich hohe Ziele setzen“, hört man aus seinem Mund, dann fällt sogar das Wort „Europaliga“ – mittelfristig geplant. Tollkühn kalkuliert mag man denken für ein gewiss hungriges, indes überschaubares Umfeld. „Erst einmal wollen wir uns etablieren und keine Eintagsfliege werden“, beschwichtigt Daume. Doch auch er sieht eine neue 5000-Mann-Halle am Ende seiner Visionen, atmet dann aber tief durch und sagt: „Eines kann ich verraten: Meister werden wir nächstes Jahr wohl nicht.“