Wasserhahn und Klodeckel rechnen sich

WHO: Wer in die Wasserversorgung in Entwicklungsländern investiert, kurbelt dort enorm die Wirtschaft an

BERLIN taz ■ Die Ökonomie der Latrine verblüfft: Für jeden Dollar, der in sanitäre Anlagen in Entwicklungsländern gesteckt wird, springen bis zu 34 Dollar Gewinn für die Volkswirtschaft heraus. Dasselbe gilt für die Trinkwasserversorgung. Das zeigen die neuesten Berechnungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Diese hat sie am Dienstag in New York der UN-Kommission für nachhaltige Entwicklung vorgelegt.

2,4 Milliarden Menschen haben derzeit keinen Zugang zu sanitären Einrichtungen, 1,1 Milliarden steht kein sauberes Trinkwasser zur Verfügung. Bei der Hälfte dieser Menschen soll das bis 2015 anders werden. So hat es sich die Weltgemeinschaft mit ihren Millenniumszielen vorgenommen. Dafür muss zum einen Wasser sicherer und besser erreichbar werden. Zum anderen müssen Fäkalien effektiver entsorgt werden.

Um das zu erreichen, müssen laut WHO 11,3 Milliarden Dollar zusätzlich zu den bisherigen rund 10 Milliarden Dollar pro Jahr investiert werden. Je nach Region bringen sie der Volkswirtschaft aber zwischen 3 und 34 Dollar ein. Worauf beruht der berechnete Nutzen? Die Zahl der Durchfallerkrankungen geht um durchschnittlich 10 Prozent zurück, rechnet die WHO vor. Demnach könnten Behandlungskosten und Ausgaben der Patienten in Höhe von 7,3 Milliarden Dollar eingespart werden. Wenn weniger Menschen an Durchfall stürben, würden außerdem Arbeitstage im Wert von 750 Millionen Dollar pro Jahr gewonnen werden.

Ein bedeutender Nutzen ergibt sich schließlich aus näher liegenden Wasserquellen. Wenn Frauen nicht mehr so weit laufen müssen, um Wasser zu holen, haben sie mehr Zeit für produktive Tätigkeiten. Außerdem könnten mehr Mädchen öfter zur Schule gehen, wenn dort Wasser und Toiletten vorhanden wären. Dieser Zeit- und Bildungsgewinn betrage umgerechnet 64 Milliarden Dollar.

Ob dieser beeindruckenden Zahlen erklärte der WHO-Wasserexperte Robert Bos der taz: „Wir haben konkrete Vorschläge gemacht. Jetzt hoffen wir, dass sie von den Regierungen und den multilateralen Gebern aufgenommen werden.“ Um den Geldgebern alle Möglichkeiten offen zu halten, hat die WHO auch eine Maximallösung vorgestellt: Soll das Wasser für alle aus dem Wasserhahn kommen, wären Investitionen von 136,5 Milliarden Dollar nötig. Auch der Gewinn wäre mit 463 Milliarden Dollar immens.

NIKOLAI FICHTNER