Nur kosmetische Reformen in Ägypten

Die Regierung schafft Staatssicherheitsgerichte und Zwangsarbeit ab. Der Ausnahmezustand bleibt jedoch bestehen

KAIRO taz ■ Das Reformpaket, das die Abgeordneten des ägyptischen Parlamentes in dieser Woche abgesegnet haben, ist auf den ersten Blick eindrucksvoll: Staatssicherheitsgerichte und Zwangsarbeit im Gefängnis werden abgeschafft und eine staatliche Menschenrechtskommission eingerichtet.

Auf den zweiten Blick zeigt sich, dass die meisten Maßnahmen reine Augenwischerei sind, mit denen die Regierung in Kairo ihr Image im Bereich der Bürgerrechte aufpolieren will, weil seit dem 11. September und dem Irakkrieg demokratische Reformen in der internationalen Debatte eine wichtige Rolle spielen. Solange der seit über 20 Jahren andauernde Ausnahmezustand weiterbesteht, bleiben die Grundfreiheiten massiv eingeschränkt.

Die Gesetzesänderungen waren von einer Kommission der regierenden Nationaldemokratischen Partei (NDP) unter dem Vorsitz von Präsidentensohn Gamal Mubarak ausgearbeitet worden. Die Abschaffung der Staatssicherheitsgerichte, bei denen die Möglichkeiten der Verteidigung und der Berufung stark beschnitten waren, wurde von ägyptischen Menschenrechtsorganisationen zwar begrüßt. Im gleichen Atemzug machten sie aber darauf aufmerksam, dass als Folge des Ausnahmezustandes die Militärgerichte unverändert weiterbestehen. Zudem wurden die Befugnisse der Staatsanwaltschaft in der Strafprozessordnung ausgeweitet, sodass Verdächtige nun auch im „normalen Verfahren“ ohne richterliche Anordnung bis zu sechs Monaten im Gefängnis gehalten werden können. Damit wurde eine wichtige Ausnahmebestimmung der Staatssicherheitsgerichte in normales Recht überführt. Vor den Staatssicherheitsgerichten mussten sich bisher vor allem mutmaßliche Extremisten, Terroristen und Menschenrechtler verantworten.

Der gesetzlichen Abschaffung der Zwangsarbeit kommt keine praktische Bedeutung zu, da sie seit 1983 nicht mehr vollstreckt wurde. Viel eher wollte die Regierung ein Hindernis beseitigen, dass die Rückschaffung von vermuteten Straftätern aus dem Ausland erschwert hatte.

Die neue Menschenrechtskommission wird ein Gremium aus 21 ernannten Persönlichkeiten sein. Es wird der zweiten Parlamentskammer, der Schura, unterstehen, nur beratende Funktionen haben und Empfehlungen aussprechen. Menschenrechtsorganisationen bezweifeln, ob ein Staat, dessen Organe die Bürgerrechte immer wieder missachten, gleichzeitig auch die Menschenrechte beschützen kann. Sie befürchten deshalb, mit dieser vom Staat abhängigen Kommission solle den Nichtregierungsorganisationen, die auf diesem Gebiet aktiv sind, der Wind aus den Segeln genommen werden.

Mit der Vorbereitung des Reformpaketes ist keine politische Klimaveränderung einhergegangen. Die Regierung hat Proteste gegen den Irakkrieg brutal niedergeschlagen und hunderte von Teilnehmern verhaftet, sie hat eine beliebte regierungskritische Fernsehsendung aus dem Programm gestrichen und fast jede Woche werden Mitglieder der Muslimbrüder verhaftet.

ASTRID FREFEL