Mysteriöser Anschlag in Damaskus

In der syrischen Hauptstadt beschießen vier junge Männer mehrere Gebäude. Dabei sterben angeblich vier Personen, darunter zwei der Attentäter. Die Regierung nutzt dies, um sich als „Terroropfer“ hinzustellen. Doch die Hintergründe sind noch unklar

AUS DAMASKUSKRISTIN HELBERG

Einen Tag nach dem Anschlag in Mezze, dem Botschaftsviertel der syrischen Hauptstadt Damaskus, scheint der Tathergang geklärt. Nach offiziellen Angaben sind zwei der vier Attentäter tot, die beiden anderen schwer verletzt. Trotzdem ist über die Identität der Männer und den Hintergrund der Tat wenig bekannt, da sich die syrische Regierung in Schweigen hüllt. Das Innenministerium spricht von einer „terroristischen Gruppe“. Ein Versuch, in der internationalen Wahrnehmung endlich die Seiten zu wechseln: von der Täter- auf die Opferseite.

Auf den ersten Blick tragen die Explosionen nicht die Handschrift von al-Qaida. Nach Augenzeugenberichten stiegen die vier Attentäter – „ganz normale junge Männer“ – unmaskiert aus ihrem Auto und begannen auf mehrere Gebäude zu schießen. Dabei zerstörten sie ein dreistöckiges Haus, das vor Jahren von der UNO genutzt wurde und inzwischen als Wohnhaus dient. Das Haus brannte aus, seine Bewohner blieben unverletzt. Die beiden im Umkreis von 100 Meter liegenden Botschaften, die kanadische und iranische, wurden nicht getroffen. Weder Kanada noch der Iran sind jedoch ausdrückliche Feinde der al-Qaida. Bei der folgenden Schießerei zwischen syrischen Sicherheitskräften und den Attentätern starben eine junge Passantin, ein Polizist und – laut Innenministerium – zwei der Attentäter. Anwohner wollen jedoch gesehen haben, wie die vier Attentäter in einem zweiten Auto entkamen. Der insgesamt chaotische Verlauf der Ereignisse lässt eher auf eine spontane Tat als auf einen professionell geplanten Anschlag schließen.

Dennoch deuten sämtliche Informationen aus regierungsnahen Kreisen auf einen terroristischen Hintergrund. Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete, syrische Sicherheitskräfte hätten ein Waffenlager 30 Kilometer südwestlich von Damaskus in der Ortschaft Chan al-Scheich entdeckt. Zum Beweis zeigte das syrische Fernsehen ein Video, in dem Granaten, Pistolen, Gewehre und ein Raketenwerfer auf dem Boden eines kleinen Zimmers liegen. Da es keine Außenaufnahmen des Gebäudes gibt, können die Bilder überall aufgenommen worden sein.

Erst vor wenigen Tagen hatten jordanische Behörden große Mengen von Chemiewaffen sichergestellt, die über Syrien ins Land gelangt sein sollen. Da das Haus des jordanischen Botschafters in der Nähe des Tatortes liegt, könnte sich der Anschlag gegen Jordanien richten und eine Racheaktion für die in Jordanien festgenommenen Al-Qaida-Anhänger sein.

Neben der offiziellen Terror-Version kursiert indes eine weitere mögliche Erklärung. Beobachter vermuten, dass radikale Kurden hinter dem Anschlag stecken. Vor Wochen war es im Norden Syriens zu Auseinandersetzungen zwischen syrischen Sicherheitskräften und Kurden gekommen, seitdem wurden Hunderte Kurden verhaftet. Nach Angaben einer Menschenrechtsorganisation sollen drei Männer zu Tode gefoltert worden sein.