nebensachen aus johannesburg
: Südafrikas Krieg gegen die Plastiktüte

Einkaufen mit dem bösen Blick

„Ach, komm, noch eine Plastiktüte, dann habe ich alles im Griff.“ Unweigerlich verfällt der Kunde in Südafrikas Geschäften diesem Gedanken. Umweltbewusste Käufer aus Deutschland sind da eher der Verzweiflung ausgesetzt. „Nein, kein Plastik, bitte.“ Doch nach vielen Jahren Einkaufsfrust in Südafrika ist auch diese Hartnäckigkeit aufgeweicht. Der Kunde braucht Plastik. Ob er will oder nicht.

Beim Einkaufen lässt sofort nach dem Eintippen des Preises an der Kasse eine „Packerin“ alle Waren eifrig in unzählige Plastiktüten verschwinden. Manchmal gibt es pro Tüte nur eine Ware – und wer die Ware wieder rausholt, wird mit bösen Blicken gestraft. Das schlechte Umweltgewissen folgt, wenn der Einkaufswagen mit mehr als zwanzig Plastiktüten zum Auto rollt. Gelbe Tonne? Biotonne? Glascontainer? Dies ist Südafrika.

Sie ist nur schwer aus Afrika wegzudenken, die Plastiktüte. Sie ist hauchdünn und verfängt sich nach dem Gebrauch in Südafrikas unzähligen Stacheldrähten, die auf den Häusermauern liegen. Als „Nationalblume Südafrikas“ machte die Plastiktüte die Runde, doch im Schönheitswettbewerb kann sie mit der echten Landesblume, der Protea, nicht im Traum mithalten.

Hatte sich das umweltkriminelle Verhalten eingeschliffen, ist jetzt „Normaldenken“ wie beim deutschen Einkauf angesagt. Die Plastiktüte wird seit kurzem nicht mehr dem Warenberg stapelweise hinterhergeworfen, sondern an der Kasse nur gegen Geld herausgerückt. Die größte für 46 Cent.

Dafür ist sie dicker und wiederverwendbar geworden. Wer stilvoller einpacken will, kann sich auch eine teurere Ökotasche“ aus Stoff anschaffen und mitbringen. Mit der neuen Gesetzgebung des Umweltministeriums hat Umdenken aber nur ansatzweise eingesetzt, denn noch lassen viele Kunden genau diese Tasche im Auto liegen, um dann an der Kasse etwas peinlich berührt zu nicken, wenn lächelnd „plastic?“ angeboten wird.

Viele Menschen, nicht nur gedankenlose Einkäufer, haben den hauchdünnen Sack früher dennoch sehr geschätzt. Fliegende Händler fürchten nun um ihr Geschäft, wenn sie für Mangos und Bananen keine Tüte anbieten können. Auch galt sie als originelle Überlebensquelle: An Straßenrändern verkauften Frauen gehäkelte Plastiktüten-Hüte in grellen Farben oder Fußmatten aus Plastikstrick. „Checkers“ werden die Tüten in den Townships nach einer Supermarktkette genannt. „Ich habe meine checkers für alles gebraucht, um den Flur zu polieren, auch als Regenmantel und Börse sind sie perfekt“, bilanziert die 65-jährige Noxolo Ndimande, die Umweltbewusstsein und ihre Tüten gerne vereinbaren würde.

Aber im deutsch-südafrikanischen Haushalt gibt es sie noch, die alte Ökotasche aus beiger Baumwolle, die vor Jahren mitangereist war und dann in der Besenkammer nutzlos herumhing. Nun kommt sie endlich wieder zum Einsatz. Nur macht es sich allmählich im Portemonnaie bemerkbar, wenn sie beim Einkauf immer zu Hause liegen bleibt.

MARTINA SCHWIKOWSKI