Hier kommen die Kids groß raus

Der Kölner Kinder- und Jugendzirkus Linoluckynelli feiert Jubiläum: Seit 25 Jahren gibt es das sozialpädagogische Projekt. 500 Kinder trainieren die hohe Kunst von Akrobatik und Clownerie

Von Jessica Düster

Nico ist mit seinen acht Jahren das, was im Jargon des Kinder- und Jugendzirkus Linoluckynelli als „Frischling“ bezeichnet wird. Obwohl sein erster Auftritt als Diabolo schleudernder „Man in Black“ bevorsteht, gibt sich der Junge im tadellosen schwarzen Anzug gelassen: „Ich bin nur ein bisschen aufgeregt.“ Eine Viertelstunde vor Beginn der Show wird es zwischen dem großen, viermastigen Zirkuszelt und dem kleineren, das den jungen Artisten als Garderobe dient, jedoch zusehends hektischer: Bunt gekleidete Mädchen und Jungen eilen hin und her, Mütter nesteln an Kostümen, das Technikteam trifft letzte Vorbereitungen.

Marie ist zwar schon vier Jahre bei Linoluckynelli, aber heute ist sie besonders nervös. „Ich mache diesmal die Ansage“, verrät die 13-Jährige, die in der „Jubilee“-Show außerdem auf dem Drahtseil balanciert und bei einer Dreier-Trapez-Nummer mitwirkt. Der Spagat auf dem Drahtseil – eine Seltenheit im Kinderzirkus – hat Marie zwei Jahre Training gekostet. „Im Gegensatz zum Ballett oder Turnen pushen wir die Kinder aber nicht“, betont Zirkusleiter Achim Eschert. Auch allzu ehrgeizige Eltern bekämen schon mal „den Vorschlaghammer“. „Wenn wir merken, die Kids wollen weiter, fördern wir sie natürlich individuell.“

Entstanden ist der Kinder- und Jugendzirkus Linoluckynelli vor 25 Jahren auf einem der damals üblichen städtischen Bauspielplätze. Pädagogen des sozialen Zentrums Lino-Club luden Kinder aus Köln-Lindweiler zum Zirkusspielen ein, um deren motorische Entwicklung zu fördern und eine spannende und Phantasie anregende Alltagsalternative anzubieten. Schnell merkten die Lino-Mitarbeiter, dass die begeisterten Jongleure, Akrobaten und Clowns nicht nur spielen, sondern auch auftreten und Applaus bekommen wollten.

Heute besuchen wöchentlich rund 500 Kinder und Jugendliche aus ganz Köln die Zirkushalle des von einem freien katholischen Träger, Mitteln der Stadt und Sponsorengeldern finanzierten Lino-Clubs. Alle Jung-Artisten betreiben den Zirkus in ihrer Freizeit neben dem normalen Alltag in Schule oder Ausbildung. „Die Prämisse lautet: Die Schule darf nicht darunter leiden.“ Das ist Achim Eschert wichtig. „Wir wollen die Kinder hier stark machen. Es geht nicht darum, sie auf das harte Zirkusgeschäft vorzubereiten.“

Für Kinder, die sich nicht auf ein Ensemble festlegen wollen, wird einmal die Woche ein Kurs angeboten. Neugierige, die einfach mal so reinschnuppern wollen, können bei den „Indoortagen“ die Kletterwände und Hüpfburgen in der Trainingshalle ausprobieren. An zahlreichen Wochenenden finden dann Auftritte vor Publikum statt. Den riesigen Organisationsaufwand, der dahinter steht, könnten Escherts Mitarbeiter – eine Erzieherin, eine Sozialarbeiterin und ein Zivi – nicht ohne das Engagement der Eltern leisten. Daher müssen alle anpacken. „Die Kids kostet das hier nichts, aber jedes Elternteil verpflichtet sich, im Jahr 80 Stunden je nach Fähigkeiten bei Linoluckynelli mit zu arbeiten“, sagt der Zirkusleiter. So ist das zweistöckige Gerüst im Bühnenhintergrund des Viermastzeltes das Werk eines Linoluckynelli-Vaters.

Bei der großen Eröffnungsnummer der Show wird das Gerüst von Jongleuren und Einradfahrern bespielt, während die restlichen Linoluckynellis auf die Bühne unter dem mit Sternen übersäten Zeltdach treten. Der Verzicht auf eine traditionelle Manege im Jubiläumsjahr hat einen besonderen Hintergrund. „Die Bühne soll symbolisieren, dass die Kinder höher und wichtiger sind als alles andere“, erklärt Achim Eschert.

Das Linoluckynelli-Jubiläumsprogramm findet vom 30. April bis 5. Mai auf dem Festplatz am Heckweg in Köln-Longerich statt. Tickettelefon 0221/790 24 15. Weitere Infos im Internet unter: www.lino-club.de