Knochen und Blut

Unsere EU-Korrespondentin Daniela Weingärtner bekommt dieser Tage höchst seltsame Post

Gestern fand ich in meiner Mailbox ein rechtes Wadenbein. Von einem Mann. Stark witterungsbedingt verändert. „Presseinformation“ stand über dem alten Knochen. Die einzige Information allerdings bestand aus einem Fragesatz: „Knochenfund vom Nanga Parbat von Reinhold Messners Bruder Günther?“

Diese Schlagzeile hätte auch von Bild stammen können – tatsächlich aber war der Absender Günthers Bruder Reinhold, Europa-Abgeordneter für die Grünen, besser bekannt als Extrembergsteiger. Die Mail weckte meine Neugier schon deshalb, weil Herr Messner mir während der ganzen Legislaturperiode kein einziges Mal geschrieben hat und ich mich schon fragte, was er eigentlich im Parlament macht.

Wie Focus mir dann verriet, hat die knochige Mail einen tragischen Hintergrund. Messner muss mit dem Vorwurf leben, seinen zwei Jahre jüngeren Bruder vor 34 Jahren am Nanga Parbat im Stich gelassen zu haben. Die Knochenanalyse der Medizinischen Universität Innsbruck soll diesen Vorwurf widerlegen. Sie stammt vom Februar. Vorher, sagt Focus, lag das Wadenbein vier Jahre lang „wenig beachtet“ in Messners Bibliothek.

Das alles ist bizarr, vielleicht auch psychologisch aufschlussreich, ganz sicher von voyeuristischem Interesse – aber was hat es in der Mailbox der EU-Korrespondenten verloren? Diese Frage stellt sich derzeit oft. Hans-Peter Martin, ein der Fraktion verwiesener ehemaliger Sozialdemokrat, bietet mir an, mehrere tausend Stunden heimlich gedrehter Videos mit ihm zu gucken. Dann würde ich ihm endlich glauben, dass seine Kollegen seit Jahren Tagegelder kassieren, ohne dafür zu arbeiten.

Zum guten Ton gehört derzeit auch, die eigene Blutanalyse in den EU-Verteiler zu stellen. Umweltkommissarin Margot Wallström hat diese schöne Sitte eingeführt. Inzwischen erschrickt jede Woche ein Europaabgeordneter politisch ganz korrekt darüber, dass er eine wandelnde Schwermetall-Halde ist. Die überfällige Chemie-Richtlinie kann das nicht ersetzen.

Auch Herr Martin könnte nicht länger sein Unwesen treiben, wenn die Abgeordneten sich endlich auf eine faire Spesen- und Reisekostenregelung einigen würden. Gott sei Dank ist es in sieben Wochen vorbei mit den Gothic-Spams. Dann wird das neue Europa-Parlament gewählt.

DPS