Fiese Philosophie

Der n-tv-Geschäftsführer macht sich bei der Belegschaft unbeliebt, um sich bei Mutter RTL beliebt zu machen

Die Stimmung bei n-tv ist katastrophal. Seit RTL den Nachrichtensender übernommen hat und der Umzug nach Köln beschlossen wurde, macht n-tv-Geschäftsführer Johannes Züll sich konsequent unbeliebt. Rund 70 n-tv-Mitarbeiter demonstrierten vergangenen Dienstag gegen den Umzug des Nachrichtensenders nach Köln und gegen die Art und Weise, wie mit ihnen umgegangen wird. „Kaltschnäuzig, wie ich es noch nicht erlebt habe“, beschreibt ein n-tv-Mitarbeiter das.

Dietrich Peters, Fachsekretär Medien für Berlin und Brandenburg der Gewerkschaft Ver.di, sagt, seiner Meinung nach mache der von RTL installierte n-tv-Geschäftsführer Johannes Züll einen guten Job – jedenfalls wenn der Auftrag RTLs lautete, n-tv „plattzumachen“.

Da passt es, dass derzeit fleißig über die Nachfolge von Gerhard Zeiler spekuliert wird, initiiert durch seine eigene Äußerung, dass er seine Aufgabe in „ein bis zwei Jahren beendet“ sieht. Im Gespräch für die Nachfolge ist auch n-tv-Geschäftsführer Johannes Züll. Zwar zitierte die Süddeutsche Zeitung kürzlich einen RTL-Manager, der Züll für einen unwahrscheinlichen Kandidaten hält, weil dieser erst „Steine klopfen“ müsse, womit seine Aktivitäten bei n-tv gemeint waren. Doch n-tv soll ja bereits 2005 schwarze Zahlen schreiben – so lange könnte Zeiler noch aushalten, und erreicht Züll das gesteckte Ziel, hätte er sich durchaus für den RTL-Chefposten empfohlen.

Bereits im Dezember wurde 70 n-tv-Mitarbeitern gekündigt. Kommenden Donnerstag nun werden rund 120 Mitarbeiter eine Änderungskündigung erhalten: Entweder sie gehen mit nach Köln, oder sie lassen es bleiben – eine Abfindung werden sie dann wohl einklagen müssen.

Wer sich entscheidet, nach Köln zu gehen, kann deshalb aber noch lange nicht sicher sein, seinen Job zu behalten. Eine Arbeitsplatzgarantie für Umzügler soll es nicht geben, wie ein Mitarbeiter erzählt. Auch Pendlerpauschalen für Teilzeitmitarbeiter, die nach Köln gehen, lehnt die Geschäftsführung ab. Bei derartigen Konditionen liegt der Verdacht nahe, dass „freiwillige“ Abgänge zum Plan gehören.

Ein besonders extremer Fall ist der einer Mitarbeiterin, die im Rollstuhl sitzt, hier in Berlin ihre behindertengerecht ausgebaute Wohnung hat und natürlich ihr soziales Umfeld. Köln dürfte für sie wohl keine Option sein.

Das Ganze passiert, aber das nur am Rande, in einem Unternehmen, das zum Bertelsmann-Konzern gehört, der mal für seine mitarbeiterfreundliche Unternehmensphilosophie bekannt war. HEIKO DILK