Frau Schwab hat es geschafft

Die zehnte Polnischstunde nahm ein gutes Ende. Sechs AspirantInnen in der Volkshochschule Mitte haben durchgehalten und werden von Lehrer Artur Kolasiński gelobt. Bleibt noch das Problem des Genitivs. Doch das können Sie nun selbst herausfinden

VON WALTRAUD SCHWAB

Die taz macht fit für den Beitritt Polens in die EU am 1. Mai. Lernen sie Polnisch mit Artur Kolasiński (Lehrer) und Waltraud Schwab (Schülerin). Die letzte Stunde:

Mein Lernversuch hat sich herumgesprochen. Manchmal wenden sich wildfremde Menschen auf Polnisch an mich. Ich verstehe sie nicht, aber höflich antworte ich, was mir gerade in den Sinn kommt. Etwa: „Ja, ich habe eine intelligente Chefin mit Fahrrad. – Tak, mam inteligentną szefową z rowerem.“ „Oh“, antworten die Leute dann, „gute Aussprache.“ Das schmeichelt mir, und ich denke: „Mensch, Kolasiński, du hattest Recht, sogar Leute wie ich können es schaffen.“

Unser Lehrer ist stolz auf die verbliebenen sechs PolnischaspirantInnen. Die erste Hürde haben wir genommen, obwohl auch wir müde sind. Den Genitiv wollen wir nicht mehr lernen. Dabei sei der wichtig. Will man im Polnischen was verneinen, geschehe dies im zweiten Fall.

Ich erkläre das hier jetzt nur noch auf Deutsch, weil mir berichtet wurde, dass auch Sie, die Sie meine Fortschritte treu verfolgen, müde seien und die polnischen Passagen nur noch überflögen.

Also, hören Sie: Ein Satz wie „Ich habe kein Auto“ hieße wörtlich übersetzt in der Sprache unserer Nachbarn: „Ich habe keines Autos.“ Der Satz „Ich liebe meine Frau nicht“ müsste als „Ich liebe meiner Frau nicht“ daherkommen. Und „Ich sehe den Mond nicht“ hieße auf Polnisch: „Ich sehe des Mondes nicht.“ Die Regel ist fix und unumstößlich.

In einer schwachen Stunde, hat Kolasiński einmal gesagt, dass der Umgang des Polnischen mit den Fällen in sich logisch sei. Vielleicht hat er Recht. Vielleicht ist es ja so, dass ich meine Frau nicht komplett, sondern nur in Teilen nicht liebe. Dann wäre auch bei uns der Genitiv angebracht, etwa wenn ich sagte: „Ich liebe die Waden meiner Frau nicht.“ Auch der Mond ist so oft verdeckt, dass es richtiger wäre, zu sagen: „Ich sehe Teile des Mondes nicht.“ Vielleicht ist im Polnischen die Verneinung eben mit Freundlichkeit statt mit Absolutheit gepaart. Da sich die Polen ihre Sprachen aus vielen anderen Sprachen zusammengeklaut haben, wären sie blöde gewesen, wenn sie sich nicht nur das Beste genommen hätten. Das, womit man sich die wenigsten Feinde macht in einer feindlichen Welt.

„Wir hatten eben nicht so einen Typen wie Luther, der uns die Bibel ins Polnische übersetzt hat und so schon vor Jahrhunderten Grundlagen legte“, meint Kolasiński. Kommt noch dazu, dass europäische Großmächte zeitweise das Land von der Karte strichen und die Sprache verboten. Ein Grund mehr, im Untergrund nur das Beste zu erhalten. Allerdings stell ich mir auch vor, wie Polnisch in der Zeit nur noch heimlich und leise gesprochen wurde. Deshalb sind die Vokale verschwunden, deshalb wird gezischelt, was geht. Dies alles hat die Sprache geprägt und macht ihre Unberechenbarkeit aus. Auch ihren Charme, dem ich verfallen bin. Konsequent gedacht, müsste ich weitermachen. Einmal nicht an einer Sprache scheitern, was für ein Traum!

Es gibt übrigens noch etwas, was ich Ihnen schon eine ganze Weile vorenthalten habe. Die Zahlen: jeden, dwa, trzy, cztery, pięć … Vielleicht frage ich Peter, meinen Schulfreund, ob er mit mir auf dem Weg zur Oranienburger Straße dieses eine Mal noch Himmel und Hölle spielt, damit wir sie üben können.

Letzte Chance für Fragen: polnisch@taz.de