Sitzblockade mit Unkostenbeitrag

Hannes Wader und Konstantin Wecker starteten am Mittwoch in Oldenburg ihre „Friedenskämpfer-Tour“

„Erinnerungen sind dazu da, dass man sie im Alter erwärmen kann“, brummt Hannes Wader mit seiner sonoren Bassstimme ins Mikro. Eigentlich soll das nur eine Überleitung zu „Schön ist das Alter“ sein, ungewollt stiftet der unermüdliche Ostwestfale mit seiner Ansage aber auch das Motto für den gesamten Abend: Die gemeinsame „Friedenskämpfertour“ mit Konstantin Wecker, die in der Oldenburger Weser-Ems-Halle startet, zehrt von vergangenen Zeiten. Trotz Lightshow und tadelloser musikalischer Unterstützung durch den Pianisten Jo Barnikel und Norbert Nagel, der zwischen Saxophon, Klarinette und Flöte wechselt: Im Grunde haben sich alle um eine Wandergitarre geschart, um sich als Gemeinschaft zu erleben.

Die Kongresshalle wird gleichsam zum Ort einer genehmigten Sitzblockade – Unkostenbeitrag: 35 Euro. Als Wecker dann noch den zivilen Ungehorsam preist, brandet Beifall auf. Man versteht sich, selbst wenn der Sänger ins Bayerische verfällt: „Willy“ wird frenetisch gefeiert. Der wurde 1977 erstmals „daschlogn“, im Jahr als Kollege Wader in die DKP eintrat. Der Text ist aktualisiert und am Ende ist Wecker bei Globalisierung, Irak-Krieg und der „neuen demokratischen Bewegung“ in Deutschland angelangt. Die Botschaft ist klar: Damit meine ich euch. Sonderlich subtil ist es nicht, wenn der Sänger empfiehlt, die Militärs sollten ihre Waffen lieber gegen „terroristische Konzerne wie Shell, die Deutsche Bank oder McDonald’s“ richten. Fehlt nur noch das Megaphon, und die Demo-Atmosphäre wäre perfekt.

Beflügelt vom Gefühl, auf der Seite der Guten zu stehen, darf das Publikum bei Waders deutscher Version von „Will the circle be unbroken“ mitsingen. Der hatte vorweg allen Nicht-Pazifisten empfohlen, an die Decke zu schauen und leise mitzusummen. Er hätte auch gleich fordern können, sie sollten sich in die Ecke stellen und schämen. Natürlich legt niemand den Kopf in den Nacken – bei so viel Einigkeit kann Wader zwischendurch beruhigt von nordfriesischen Sommernächten, St. Pauli oder kleinen Städten im Elsass singen.

Sein Kompagnon hingegen zaubert neben Plattitüden immer wieder satirische Leckerbissen wie den „Waffenschieber-Tango“ oder den bissigen Walzer „Wenn die Börsianer Tanzen“ aus dem Hut und illustriert, warum er 1995 mit dem Tucholsky-Preis geehrt wurde.

Im Zugabenteil stimmt „Bella Ciao“ dann nach drei Stunden Friedenskampf auf das große Finale ein. Nein, die „Internationale“ wird nicht gesungen, aber eine Neufassung von „Nehmt Abschied, Brüder“. Fast wie damals ... Christoph Kutzer