Wider den Drill der Hitlerjugend

Das Kölner NS-Dokumentationszentrum EL-DE-Haus zeigt eine Ausstellung über nicht angepasste Jugendliche im NS-Staat. Thema sind erstmalig auch Frauen in den Gruppen

Sie nannten sich Fän, Mucki oder Whiskey Bill, wanderten durch den Königsforst oder ins Bergische Land, trugen kurze Hosen mit Totenkopfemblemen und sangen Wanderlieder. Sie hatten kein politisches Programm, es gab keinen Dachverband und meist auch keine dezidierte Vorstellung davon, etwas Bestimmtes erreichen zu wollen. Dem NS-Regime waren die „wilden Jugendgruppen“ dennoch mehr als ein Dorn im Auge. Sie galten als Staatsfeinde und Schwerverbrecher, weil sie sich dem umfassenden Erziehungsanspruch der Nationalsozialisten widersetzten.

Eine Ausstellung im Kölner NS-Dokumentationszentrum über „Unangepasstes Jugendverhalten in Köln von 1933 bis 1945“, die gestern Abend eröffnet wurde, widmet sich der Geschichte von Jugendgruppen wie den Navajos, Sturmscharen, Pfadfinder und Edelweißpiraten. Letztere standen bisher im Mittelpunkt des Kölner Interesses, waren doch 1944 dreizehn Mitglieder einer politisch sehr aktiven Edelweißpiraten-Gruppe in Ehrenfeld hingerichtet worden.

Die Ausstellung bewegt sich aber gerade jenseits der „Kölner Kontroverse“, die sich seit Jahren darum dreht, ob die Edelweißpiraten nun Widerstandskämpfer waren oder kriminelle Herumtreiber. Nach Ansicht von Martin Rüther vom Dokumentationszentrum waren sie „in erster Linie ganz normale Jugendliche“. Sie wollten sich ganz einfach von der herrschenden Ideologie und dem Drill der Hitlerjugend entziehen – wie junge Leute zu jeder Zeit gegen die Gesellschaft opponiert hätten: „Die Pubertät konnten selbst die Nazis nicht abschaffen.“ Nur sei das im Dritten Reich etwas gefährlicher gewesen, wie die Dokumentation der Observation und Verfolgung durch HJ-Trupps und Gestapo zeigt.

Die Ausstellung will ein möglichst differenziertes Bild unangepassten Jugendverhaltens zeigen, sei es in bündischen, konfessionellen oder sonstigen Gruppierungen. Sie greift auch bisher kaum beachtete Aspekte auf. So wurde etwa versucht, auch etwas über die Frauen in den Gruppen zu berichten. Ein schwieriges Unterfangen, weil die Denunzierung und Kriminalisierung durch das NS-Regime vielen überlebenden Frauen noch bis heute in den Gliedern steckt. Jeanette Seiffert

„Unangepasstes Jugendverhalten in Köln von 1933 bis 1945“ im Kölner El-DE-Haus, Appellhofplatz 23-25; bis 22. August und nochmals vom 18. Nov. 2004 bis 20. Februar 2005 www.nsdok.de