Ferngesteuertes Raumschiff

Staatstheater Stuttgart gastiert mit René Pollesch‘ „Smarthouse“ bei den Thalia-Autorentheatertagen

„Mir geht‘s schlecht, und hier geht nur das Licht an!“ So funktioniert das Smarthouse (1+2), von Panasonic als intelligent beworben, von Dramatiker René Pollesch auf seine Vireninfektion heruntergebrochen: Es tut wissend, Gefühle und Alltag jedoch sind ihm scheißegal. SCHEISSEGAL, um es mit Pollesch zu halten.

Die beiden Smarthouse-Teile vom Staatstheater Stuttgart gastierten über Pfingsten bei den Autorentheatertagen im Thalia in der Gaußstraße und versuchten sich im Herausschreien des unguten Gefühls, (illegaler) Gast im eigenen Haus zu sein. Das Haus ist natürlich fremdbewohnt – wenn man nur wüsste, was „natürlich“ eigentlich meint.

So ein Smarthouse arbeitet jedenfalls wie ein ferngesteuertes Raumschiff: Es will seinen Insassen einbilden, sie selbst könnten programmieren. Doch das bezieht sich nur auf so existenzielle Sachen wie Home-Shopping oder eben per Stimme das Licht zu dimmen. Tatsächlich jedoch ist jedes Subjekt gefangen, in sich und vor allem dem Diskurs mit seiner zwangsheterosexuellen Matrix. Keiner weiß, wer er oder sie ist und ob überhaupt er oder sie. Das Smarthouse schreibt Rollen fest – gerade so, wie Panasonic sich das vorstellt. Das will zwar sonst keiner, ändern lässt es sich jedoch nicht.

Schrilles Outfit, dröhnende Musik, gesattelte Kissen: In diesem Ambiente theoretisieren und brüllen die SchauspielerInnen Kai Schumann, Hanna Scheibe, Christian Brey und Silja Bächli in gewohnter Pollesch-Manier. Die Interaktion mit der Souffleuse ist unabdingbar, denn auch die neu sortierten Versatzstücke aus Gender-Studies und Marketingstrategien sind kaum zu behalten. Der kollektive Schrei nach Hilfe oder als unverzichtbares Störgeräusch, er wirkt ansteckend. Und wer findet sich nicht wieder im Dialog: „Ich steh im Moment neben mir!“

In Stuttgart genießen Smarthouse 1+2 längst Kultstatus. Angeblich kommen die Menschen allein wegen des Schreiwettbewerbs am Ende und tummeln sich auf der Bühne, um dort gemeinsam loszuwerden, dass ihre Plattensammlung nichts mit George W. Bush zu tun haben will. Und solange die Gleichzeitigkeit von Intelligenz, Politik und dem Recht auf verzweifeltes Außer-sich-Sein nirgends anders zu haben ist, kann der Erfolg von Pollesch und seinen SchauspielerInnen nicht erstaunen. Wieder einmal ist bestätigt: Schreien befreit ungemein und muss sein. Wer jetzt immer noch Platten mit Bush tauschen möchte, ist selbst schuld. Liv Heidbüchel