Israelischer Atom-Informant Vanunu frei

Nach 18 Jahren Haft verhängen die Behörden strenge Auflagen für den Wissenschaftler. Auslandsreisen sind zunächst untersagt. Human Rights Watch kritisiert diese „zusätzlichen Strafen“. Unterstützer und Gegner empfangen den Freigelassenen

ASCHKELON/BERLIN ap/taz ■ Nach 18 Jahren Haft ist der israelische Atomwissenschaftler Mordechai Vanunu gestern aus dem Gefängnis entlassen worden. Hunderte seiner Unterstützer, aber auch Gegendemonstranten empfingen den 49-Jährigen vor dem Schikma-Gefängnisses in der israelischen Küstenstadt Aschkelon. Vanunu sagte, er sei „stolz und glücklich“ über das, was er getan habe.

Vanunu formte mit den Fingern das Siegeszeichen, als er auf den Hof des Gefängnisses hinaustrat, und winkte seinen Unterstützern zu. Diese jubelten, während Vanunus Kritiker in Buhrufe ausbrachen und den Freigelassenen als Verräter beschimpften.

Der Atomtechniker, der neun Jahre am israelischen Reaktor Dimona in der Wüste Negev arbeitete, hatte der britischen Zeitung Sunday Times 1986 Nukleargeheimnisse verraten. Gestützt auf seinen Beschreibungen und heimlich aufgenommenen Fotos, kamen Experten zu dem Schluss, dass Israel über das sechstgrößte Atompotenzial der Welt verfüge. Kurz nach dem Interview entführten Agenten des Geheimdienstes Mossad Vanunu in Rom und brachten ihn nach Israel. Dort wurde er in einem nicht öffentlichen Prozess zu 18 Jahren Haft verurteilt, von denen er fast zwölf in strenger Einzelhaft verbrachte.

Vor Vanunus Freilassung hatten die Behörden eine Reihe von Auflagen verhängt. So darf er mindestens ein Jahr lang nicht ins Ausland reisen und sich noch nicht einmal in die Nähe der israelischen Grenze oder in einen Hafen begegeben. Darüber hinaus ist es ihm untersagt, mit Ausländern zu sprechen, und auch über seine Arbeit am Atomreaktor Dimona muss er Stillschweigen bewahren.

„All jenen, die mich einen Verräter nennen, sage ich, ich bin stolz, ich bin stolz und glücklich über das, was ich getan habe“, erklärte Vanunu. „Israel braucht keine Atomwaffen, insbesondere jetzt, da der Nahe Osten frei von Atomwaffen ist“, sagte er weiter. Es gebe keine Geheimnisse mehr, die er enthüllen werde.

Aus den USA reisten Mary und Nick Eoloff an, die Vanunu 1997 adoptiert hatten in der Annahme, er könne so die US-Staatsbürgerschaft erhalten. Anwesend war auch die britische Schauspielerin Susannah York, die mit Vanunu in Briefwechsel stand. In einem Brief vom 22. April 2003, den der Guardian gestern veröffentlichte, äußerte er sich zu seinen Plänen für sein Leben in den USA: „Ich hoffe, ich werde gute Leute treffen … und meine zukünftige Partnerin. Was ich tun werde, welcher Arbeit ich nachgehen werde, weiß ich nicht – vielleicht werde ich versuchen, ein Buch zu schreiben. Die andere Aktivität, die ich mir wünsche, ist, um die Welt zu reisen, viele, viele Orte zu besuchen und Leute zu treffen.“ Davon kann zunächst keine Rede sein.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rigths Watch (HRW) kritisierte in einer Stellungnahme die Auflagen der Behörden. „Als Mordechai Vanunu vor 18 Jahren vor Gericht stand und verurteilt wurde, sah das Gericht keine dieser zusätzlichen Stafen vor“, sagte Joe Stork, der amtierende Generaldiketor von HRW für den Nahen Osten und Nordafrika. „Das Auferlegen dieser neuen Restriktionen verletzt jetzt grundlegende Standards der Justiz.“ B.S.