Sehenswerte Beitrittsländer

Studenten aus Bielefeld und Dortmund haben sechs der neuen EU-Mitglieder in Wort und Bild porträtiert. Heraus kam ein faszinierendes Mosaik vom “neuland europa“, vom Leben der Menschen jenseits der Statistik

VON HOLGER ELFES

Die EU wird größer. Zum 1. Mai treten zehn neue Mitgliedsländer der Gemeinschaft bei und Wissenschaftler aller Fakultäten zerbrechen sich den Kopf, welche wirtschaftlichen, politischen und sozialen Auswirkungen die Erweiterung haben wird. Eine etwas andere Art der Annäherung an die Neumitglieder haben Professoren und Studenten der Fachhochschule Bielefeld und der Uni Dortmund versucht.

“sechswege nach brüssel“ heißt das Projekt des Fachbereichs Gestaltung der FH Bielefeld und des Instituts für Journalistik der Universität Dortmund. Unter der Leitung des Bielefelder Professors Roman Bezjak sind studentische Fotografen und Autoren in Zweier-Teams nach Osten – und im Falle Zyperns nach Süden – ausgeschwärmt, um Innenansichten der Beitrittsländer festzuhalten. Dabei ging es nicht darum, Sehenswürdigkeiten oder Personen der Zeitgeschichte zu porträtieren. Die Fotografen und Schreiber zeigen vielmehr aus einem sehr persönlichen Blickwinkel Lebensbedingungen und Befindlichkeiten in den Beitrittsländern.

Entstanden sind Bildserien und Reportagen von beeindruckender Schlichtheit und Glaubwürdigkeit, die mehr aussagen als die übliche „objektive“ Medienberichterstattung. Die Projektteilnehmer haben ihren Ausgangspunkt so beschrieben: „Europa ist eine Utopie. Die Utopie vom friedlichen Miteinander lebendiger Kulturen. Die Utopie von Stärke durch Gemeinschaft, von Vielfalt in Einheit. Eine Utopie, die Schritt für Schritt Wirklichkeit wird mit jedem Land, das der Union beitritt.“

Das Bild der osteuropäischen Nachbarn ist noch immer stark von Vorurteilen geprägt. Nach Jahrhunderten immer neuer Teilungen des Kontinents erscheinen die dort lebenden Menschen fremd. Und trotz der außerordentlichen Chancen, die ein wirtschaftlich und politisch vereintes Europa bietet, sehen viele Menschen in den Mitgliedsstaaten der Erweiterung mit Skepsis entgegen. “Wir verbinden keine Gesichter mit den Länder-Namen“, so Roman Bezjak, „Wir wissen zu wenig über die Länder, mit denen wir kulturhistorisch enger verbunden sind, als es uns die zurückliegenden 60 Jahre suggerieren. Vorurteile und fehlende persönliche Erfahrungen trennen noch immer Ost und West – die Spuren des Kalten Krieges zeichnen bis heute unsere Wahrnehmung und unser Verhalten.“

Die 12 jungen Fotografen und Journalisten haben Estland, Polen, Tschechien, Ungarn, Slowenien und Zypern bereist. Fotografin Anika Büssemeier etwa versucht, das Leben der Menschen jenseits der Statistik zu zeigen. Mit der Kamera drang sie nicht nur in die Millionenstadt Warschau, sondern auch in das ländliche und gar nicht idyllische Leben des Franciszek Wojcik und der Familie Pasierb ein. Dabei interessierte sie besonders der „starke Kontrast zwischen dem sehr rückständigen Osten Polens und der Hauptstadt“.

Das allgegenwärtige Sowjeterbe in Estland hat Stefan Volk abgelichtet. Schwierig gestaltet sich vor allem die Integration der russischen Minderheit, die ein Drittel der 1,5 Millionen Einwohner ausmacht. Die Esten erlebte Stefan Volk als „pragmatisch, unkompliziert und nach vorne gerichtet“. Für den in der ehemaligen DDR aufgewachsenen Christian G. Kaiser ist seine Fotoserie über Zypern ein „Appell, die Teilung zu überwinden“. Reimar Ott nahm sich der Minderheiten-Thematik in Ungarn an, Bernd Schäperkötter den Wirtschafts- und Umweltproblemen in Tschechien und Gunter Klötzer porträtierte Slowenien durch Bilder von seinen Menschen.

Und was hat das Ganze den Beteiligten gebracht? „Die Jobsituation ist mehr als schwierig“, weiß Roman Bezjak, „durch die Teilnahme an dem Projekt haben sich einige der Studenten journalistische Referenzen erarbeitet, durch die sie jetzt eine befriedigende Auftragslage haben.“ Am 1. Mai sind die Bilder des Projektes in der Düsseldorfer Staatskanzlei im Rahmen der Feiern zur EU-Erweiterung zu sehen.

Verlosung

Arnoldsche Art Publisher hat zu ‚neuland europa‘ einen prächtigen Bildband aufgelegt. Die taznrw verlost drei Exemplare. Schicken Sie bis zum 1. Mai eine Email mit den Namen der vier im Projekt nicht behandelten EU- Neumitglieder an wissen@taz-nrw.de. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.