bundesbank
: Die Krisen sind noch nicht vorbei

Auf den ersten Blick scheint mit dem Rücktritt von Ernst Welteke die größte Krise in der Geschichte der Bundesbank beendet zu sein. Die Bundesregierung hat sich durchgesetzt, indem sie nicht nur dem Bundesbankpräsidenten seine Verfehlung und den Umgang damit vorwarf, sondern auch den Vorstand für seine Untentschlossenheit tadelte.

KOMMENTARVON DIETMAR BARTZ

Aber noch ist die Krise nicht vorbei. Eigentlich handelt es sich sogar um eine Doppelkrise, deren beide Teile eng verwoben sind. Institutionell geht es um den Verlust von Autonomie. Die Bundesregierung behauptet, ihr Druck diene der Stärkung des geschwächten Hauses. Tatsächlich aber hat der Bundesbankvorstand den über Jahrzehnte erworbenen Respekt der Politik und, ebenso wichtig, den der Öffentlichkeit verloren. In der parteiübergreifenden Kritik an Welteke spiegelt sich aber auch, dass die Bundesbank ihre wichtigsten Kompetenzen an die Europäische Zentralbank abgegeben hat. In der finanz- und wirtschaftspolitischen Debatte hat die Bundesbank bisher deutlich mehr ausgeteilt als eingesteckt – das wird sich nun ändern.

Die zweite, die politische Krise wird mit der Bestimmung des Welteke-Nachfolgers erst richtig ausbrechen. Kanzler Gerhard Schröder wird sich nicht die Chance entgehen lassen, mit dem neuen Präsidenten über dessen gesamte Amtszeit hin die Bundesbankpolitik zu beeinflussen. Auch für das Tagesgeschäft von Bundesfinanzminister Hans Eichel dürfte etwas abfallen, vermutlich eine etwas nachgiebigere Haltung gegenüber den Maastrichter Stabilitätskriterien und vielleicht gar ein leichterer Zugriff auf das Gold der Bundesbank. Wer also die Stärkung der Binnennachfrage durch höhere Verschuldung befürwortet, wird den Personalwechsel begrüßen.

Aber: Politiker, die an die Spitze einer souveränen Zentralbank berufen wurden, haben schon oft den Weg verlassen, den die Regierung vorgezeichnet hatte. Die Bundesbank hat jetzt die letzte Möglichkeit, ihre alte Stärke zu zeigen: Glaubwürdigkeit in der Kontinuität, also die Einbindung des neuen Präsidenten in die Tradition des Hauses. Wenn sie in dieser dritten, ihrer Kulturkrise, auch noch versagt, ist es um sie nicht mehr schade.