„Alle Menschen haben ein Recht auf angemessene Löhne“, sagt Georg Abel.

taz: Herr Abel, die vergangene Woche veröffentlichten Handelsbilanzen zeigen, dass im ersten Quartal dieses Jahres in Deutschland erstmals mehr fair gehandelter Kaffee und Tee umgesetzt wurden als konventionell gehandelter. Dafür haben Sie jahrelang gekämpft. Können Sie nun die Hände in den Schoß legen?

Georg Abel: Die erfreuliche Entwicklung bei Kaffee und Tee zeigt, der Einsatz für den Fairen Handel hat sich gelohnt. Doch können diese Zahlen nicht davon ablenken, dass wir bei anderen Produkten wie Bekleidung oder Spielwaren von diesen positiven Zahlen noch entfernt sind. Hier gehören langfristige Lieferverträge oder die Zahlung von Mindestpreisen noch immer nicht zum Standard, auch haben sich in den letzten Jahrzehnten die weltweiten Arbeits- und Sozialstandards positiv entwickelt. Alle Menschen haben ein Recht auf angemessene Löhne und auf Arbeitsbedingungen, die ihre Gesundheit nicht schädigen.

Die aktuelle Bilanz ist dennoch ein großer Erfolg. Wie haben Sie das erreicht?

Vor gut 20 Jahren haben die fair gehandelten Produkte endgültig ihre Nische verlassen: Die Produktpalette wurde damals – nicht nur im Lebensmittelbereich – deutlich erweitert, die großen Kaffeehaus-Ketten und viele Kantinen stellten auf fairen Kaffee um. Einzelne Supermärkte folgten seit 2005 dem britischen Beispiel und boten nur noch fairen Kaffee an. In Deutschland engagierten sich viele damals prominente Künstler und Sportler, etwa in unserer mehrjährigen Kampagne „fair feels good“. Wir haben neue Zielgruppen angesprochen, fair gehandelte Waren wurden zu einer Frage des Life-Styles. Heute kennt fast jedes Kind das TransFair-Zeichen.

In welcher Nische sind denn die Produkte früher gewesen und warum?

Vor Jahrzehnten wurden diejenigen, die sich für den fairen Handel einsetzen, oft als „Gutmenschen“ belächelt. Es gab wenige Produkte und Einkaufsmöglichkeiten. Anfangs wurde nur auf Kirchenbasaren verkauft. Später entstanden so genannten Weltläden. Diese Fachgeschäfte, damals oft ehrenamtlich betrieben, haben sich ebenfalls massiv verändert. Heute findet man sie in zentralen Einkaufslagen oder als „shop in shop“ in großen Kaufhäusern. Sie sind professionell geführt und bieten eine breite Produktpalette. Die Waren werden nach Hause oder ins Büro geliefert. Auch Supermärkte und Warenhäuser haben – Dank des Engagement einzelner Personen – vor gut einen Viertel Jahrhundert immer mehr fair gehandelte Produkte in ihr Sortiment aufgenommen.

Warum sind die fairen Produkte heute zu ähnlichen Preisen wie konventionelle Produkte zu haben?

Die Kosten haben sich angeglichen, da heute wesentlich mehr Waren fair produziert und abgenommen werden. Die heute als normal vorausgesetzte Bioqualität der fairen Lebensmittel nahm schon vor Jahrzehnten zu und ist immer weiter gewachsen. Die Überproduktion beim Kaffee, die vor 25 Jahren zu erheblichem Preisverfall beigetragen hat, hat sich Dank neuer Käufer und wegen der Neuauflage des internationalen Kaffee-Abkommens erledigt. Und eine höhere Wertschöpfung vor Ort hat zu größerer Verteilungsgerechtigkeit beigetragen. Heute werben viele Handelsunternehmen angesichts der gesunkenen Bevölkerungszahlen nicht mehr mit den Preisen sondern mit Qualität und Image der Produkte.

Was bleibt für Sie nun noch zu tun?

Die Informationsarbeit von Initiativen hat schon in den letzten Jahren nachgelassen und wird sich weiter verringern. Heute stellen die Unternehmen die Vorteile fair gehandelter Produkte in ihrer Werbung selbst heraus. Auch die Bekanntheit über die Hintergründe des Fairen Handels ist deutlich gestiegen, seit das Thema feste Unterrichtseinheit in den Schulen ist. Der vor fünf Jahren in Göttingen gegründete erste Universitätslehrstuhl für Fairen Handel hat ebenfalls einen Beitrag geleistet.

INTERVIEW: KATRIN EVERS

Hinweis: Georg Abel ist 70 Jahe alt und ehemaliger Bundesgeschäftsführer der Verbraucher Initiative. Vor 25 Jahren war er Mitinitiator der bundesweiten Kampagne „fair feels good“